Exilkroaten in der BundesrepublikDer Mord an Nikola Milicevic
Vor 45 Jahren wird in Frankfurt am Main der kroatische Migrant Nikola Milicevic erschossen. Dahinter steckt vermutlich der jugoslawische Geheimdienst. Es war nicht der einzige Anschlag auf Exilkroaten.
13. Januar 1980: Es ist drei Uhr morgens und bitterkalt. Ein blau-metallic lackierter Mercedes fährt auf den Parkplatz vor einem Hochhaus im Stadtteil Ostend in Frankfurter am Main. Das Auto parkt. Dann geht die Tür auf. Ein etwa 40-jähriger Mann steigt aus dem Wagen und stürzt von sechs Kugeln getroffen auf den Asphalt.
Der Mann bleibt regungslos liegen, die Täter können unerkannt entkommen. Der Leichnam von Nikola Milicevic wird erst am nächsten Morgen gefunden. Herz, Lunge, Magen, Darm und Zwerchfell sind durchlöchert. Er hatte keine Chance, diesen Anschlag zu überleben.
Die rechtsextreme Ustascha und Jugoslawiens Staatschef Josip Tito
Beban, wie Milicevic von Freunden genannt wird, gehört jenen Exilkroaten an, die im Ausland gegen das Regime von Staatschef Josip Tito kämpfen.
Die meisten von ihnen haben Verbindungen zur rechtsextremen Ustascha. Ihre Anhänger hatten während des Zweiten Weltkriegs mit den deutschen Besatzern kooperiert und kämpften nun gegen das sozialistische Jugoslawien unter Tito. Der jugoslawische Geheimdienst wiederum bekämpfte die Exilkroaten und schreckte auch vor Mordanschlägen im Ausland nicht zurück.
Tito war Vermittler und wurde politisch gebraucht
Dabei können die Geheimdienstler relativ ungehindert agieren. Zwar rüstet das Bundeskriminalamt angesichts von etwa 65 Mordanschlägen, die auf das Konto des jugoslawischen Geheimdienstes gehen, ihre Abteilungen personell auf, aber sie halten sich dennoch zurück.
Die Bundesregierung setzte in den 1980er-Jahren auf Entspannungspolitik und dabei spielte Tito als Vermittler zwischen Ost und West eine große Rolle. Der damalige Innenminister Gerhard Rudolf Baum kommentierte später das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und Jugoslawien lapidar, dass "Jugoslawien geschont wurde, weil man Jugoslawien gebraucht hat".
(Info: Bei dem Titelbild des Beitrags handelt es sich um ein Symbolbild. Es zeigt nicht Nikola Milicevic. Auf den Schlüsselanhängern ist Tito abgebildet.)
Ihr hört außerdem in Eine Stunde History:
- Der Journalist Danijel Majic hat einen mehrteiligen Podcast veröffentlicht mit der gesamten Geschichte des Nikola Milicevic
- Matthias Thaden vom Museum Europäischer Kulturen in Berlin hat die kroatische Exilopposition in der Bundesrepublik erforscht
- ARD-Korrespondentin Silke Hahne berichtet über das heutige Kroatien und die Spuren der Auseinandersetzung Jugoslawiens mit der Ustascha
- Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld erklärt die historischen Wurzeln der Ustascha als Helfer der deutschen Besatzer auf dem Balkan
- Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Grit Eggerichs schildert den Mord an Nikola Milicevic