Ex-KanzlerinWie gehts Merkel?

Angela Merkel hat ihr Buch "Freiheit" veröffentlicht. Journalistin Melanie Amann vom "Spiegel" traf sie zum Interview – und erlebte eine private Ex-Kanzlerin, die chillt, reist und offener über "ihre" CDU und Nachfolger Friedrich Merz spricht.

Die Altbundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre 700 Seiten starken Memoiren veröffentlicht. Titel: "Freiheit". Darin erinnert sie sich an ihre Kindheit in der DDR, ihren Aufstieg in der CDU und ihre 16 Jahre währende Kanzlerschaft. Seit drei Jahren ist sie nun in Rente und hat die Zeit genutzt, um die Geschichtsschreibung zu ihrer Person mit ihrer eigenen Perspektive zu ergänzen.

Die Altkanzlerin "ist gut drauf"

Dafür hat sich Angela Merkel in einer Arbeitswohnung mit ihrer damaligen Büroleiterin Beate Baumann eingerichtet. Ein Bild hängt an der Wand: eine Ikea-Werbung für einen Sessel, auf dem ein Double der Ex-Kanzlerin zu sehen ist. Dazu der Spruch "Endlich zu Hause". Nicht nur Angela Merkel, sondern auch Melanie Amann bringt das zum Schmunzeln. Die stellvertretende Chefredakteurin des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" hat die Altbundeskanzlerin in der Arbeitswohnung zum Interview getroffen.

Über Scholz und Lindner: "Männer!"

Merkel sei "gut drauf", findet die Journalistin. Die Altkanzlerin könne inzwischen als Privatperson und dadurch viel lockerer auftreten. So sei auch ihre Aussage über die gescheiterte Ampelkoalition im Interview zu werten: "Männer!" hatte sie – mit viel Ironie – über den Streit zwischen dem amtierenden Kanzler Scholz und dem ehemaligen Bundesfinanzminister Lindner gesagt.

"Angela Merkel hat Sachen gesagt im Interview, die sie, glaube ich, nie im Leben gesagt hätte, wenn sie noch im Amt gewesen wäre."
Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin "Der Spiegel"

Gemeinsam mit Beate Baumann hat sich Angela Merkel Kapitel für Kapitel überlegt und aufgeschrieben. "Sie hatten wahnsinnige Angst, dass sie irgendwie gehackt werden könnten, dass dieses Buch vorzeitig rauskommen könnte. Deshalb haben sie auf einem Computer ohne Internetanschluss geschrieben, abends alles auf einen Stick gezogen und den in einen Safe gelegt", berichtet Melanie Amann.

Mensch Merkel

Herausgekommen ist ein Buch, das nichts bahnbrechend Neues über die Altkanzlerin erzählt, sagt die stellvertretende Chefredakteurin des "Spiegels". Teilweise lese es sich wie ein Sachbuch über das politische System der Bundesrepublik Deutschland. "Andererseits fand ich es schon lesenswert, weil man viel über Angela Merkel als Mensch eben erfährt", sagt Melanie Amann.

Im Buch und im Interview sei aber auch deutlich geworden, dass es eher ein Zufall war, dass Angela Merkel nach der Wende in der CDU gelandet ist. Und dass sie immer wieder mit der Partei gehadert hat – auch jetzt wieder mit dem aktuellen CDU-Kurs.

"Es gibt definitiv eine Distanz zwischen ihr und der Partei. Das liegt sicher auch daran, dass die Männer dort sie immer wieder gemobbt und versucht haben, sie abzuservieren und zu entmachten."
Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin "Der Spiegel"

Ein wiederkehrendes Thema: Angela Merkel und die machtbewussten Männer in der CDU. Insbesondere vom aktuellen CDU-Chef und Kanzlerkandidaten Friedrich Merz hat Angela Merkel viele Anfeindungen aushalten müssen, ihre Beziehung ist nachhaltig auf dem Gefrierpunkt. Im Interview habe Merkel keinen Hehl daraus gemacht, dass sie von Merz nicht viel hält, sagt Melanie Amann.

Fehlende Selbstkritik

Selbstkritisch mit Blick auf ihre Russland- und Ukrainepolitik wird Angela Merkel in dem Buch nicht. "Ich habe keine nennenswerten Fehler gemacht, sagt Merkel von sich selbst", so Melanie Amann.

Angela Merkel chillt

Auf die Frage, was Angela Merkel macht, wenn sie kein Buch schreibt, antwortet Melanie Amannn: "Sie chillt einfach." Und nutzt ihre freie Zeit, um Freunde zu treffen, in ihr Ferienhaus nach Templin zu fahren, zu reisen oder ins Theater zu gehen, so die Journalistin. Außerdem habe sich Angela Merkel um ihren Mann gekümmert, der an Krebs erkrankt war.

"Sie ist jetzt so eine ganz normale private Merkel."
Melanie Amann, stellvertretende Chefredakteurin "Der Spiegel"

Nun – so eine ganz normale Person ist Merkel dann doch nicht. Für ihr Buch bekommt sie wohl mehrere Millionen Euro. Mit dem Geld habe sie offenbar vor, eine Stiftung für politische Bildungsarbeit zu gründen, glaubt Melanie Amann. Zumindest habe sich eine Merkel-Vertraute die Stiftung von Barack Obama in den USA angeschaut.