Nach der EuropawahlWarum kleine Parteien bei Unter-30-Jährigen punkten
Neben der AfD sind kleine Parteien die Gewinner der Europawahl. Für sie haben fast 30 Prozent der 16- bis 29-Jährigen ihr Kreuz gemacht – für die Partei Volt zum Bespiel. Was sagen sie nach der Wahl?
Er ist der typische Wechselwähler, sagt Tobias. Der 28-Jährige hat bei der Europawahl 2024 Volt gewählt. Vor Wahlen informiert er sich mit Hilfe des Wahlomats und teilweise auch mit direkter Ansprache über die Parteien, die für ihn in Frage kommen beziehungsweise über die Personen, die dahinter stehen. "Generell bei Wahlen ist es sehr wichtig, wie sympathisch eine Person für mich ist", sagt er.
Insgesamt sind in der Gruppe der Unter-30-Jährigen die Stimmen im Parteienspektrum gleichmäßiger auf verschiedene Parteien verteilt, als das in den anderen Altersgruppen der Fall ist. Bei der Europawahl durften erstmals auch 16- und 17-Jährige an einer deutschlandweiten Wahl teilnehmen.
Die sogenannten Stammwähler, die sich einmal für eine Partei entscheiden und bei jeder Wahl nur für diese abstimmen, sind in dieser Altersgruppe seltener. Das Wahlverhalten der Unter-30-Jährigen unterscheidet sich häufiger von Wahl zu Wahl. Es ist volatiler – auch bei Tobias.
"Ich bin selbst der klassische Swing-Voter, würde ich sagen. Egal ob Kommunal-, Europa- oder Bundestagswahl: Ich habe selten die gleiche Partei in Folge gewählt."
Wahlplakate haben bei seiner Entscheidung weniger eine Rolle gespielt, sagt Tobias. Inhaltlich hätten ihn bei Volt vier politische Ziele besonders angesprochen:
- ein geeintes Europa
- Schutz von Minderheitenrechten
- Klimaschutz
- Sozialpolitik
Voraussetzung für seine Wahlentscheidung war aber schon, dass seine Stimme dann im Parlament auch repräsentiert wird.
Europawahl ohne Hürde
Während bei einer Landtagswahl und der Bundestagswahl in Deutschland eine Fünfprozenthürde gilt, gibt es eine solche Grenze bei der Europawahl nicht. "Wenn ich eine Stimme an eine kleinere Kleinstpartei vergebe, dann ist es keine 'verschwendete Stimme'", findet Tobias.
Ein Blick auf das Wahlergebnis zeigt: Mit 227.000 Stimmen ist die Partei des Fortschritts (PdF) die Partei, die mit den wenigsten Stimmen hierzulande ein Mandat erzielen konnte.
Etwa 920.000 Stimmen ohne Wirkung
Trotz des Wegfalls der Fünfprozenthürde: Nicht allen abgegebenen Stimmen steht auch tatsächlich ein Parlamentssitz gegenüber. 15 Parteien, die weniger Stimmen bekommen haben als die PdF, sind nicht im Parlament vertreten.
Auf diese 15 Parteien sind, quer durch alle Altersgruppen hinweg, bei der Europawahl 2024 in Deutschland rund 920.000 Stimmen entfallen. Somit bleiben die Stimmen von 2,46 Prozent aller Wählenden unberücksichtigt.
"Anything goes. Gerade bei jungen Wählerinnen und Wählern. Das ist das, was die Gruppe auszeichnet – dass sie offen in alle Richtungen ist, auch für Argumente."
Dem Politologen Thorsten Faas fallen mit Blick auf das Wahlergebnis der Europawahl 2024 und die Gruppe der U30-Wählenden zwei Dinge auf:
- ihr vielschichtiges und facettenreiches Wahlverhalten
- das gute Abschneiden von CDU/CSU und AfD in dieser Altersgruppe
"Es ist durchaus bemerkenswert, dass wir an der Spitze CDU und dann auch AfD sehen. Das ist nicht immer so gewesen bei jungen Menschen."
Junge Menschen seien eben in einem besonderen Maße offen für Impulse aus Wahlkämpfen, offen für Themen und Personen. Insbesondere zeige sich hier eine Offenheit auch für die AfD. Außerdem sei die AfD in den Social Networks absolut dominant.
"Wenn wir an die letzten eins, zwei, drei, vier, fünf Jahre zurückdenken, ist so viel passiert, dass damit wirklich hohe Höhen, aber auch tiefe Abstürze für Parteien verbunden waren."
Insgesamt seien die letzten rund fünf Jahre von einer großen Dynamik geprägt gewesen. "Die Themen haben sich in kurzer Folge abgewechselt", sagt Thorsten Faas.