EU-VerordnungLieferkettengesetz gegen das Abholzen von Wäldern
Auf Lebensmittelverpackungen finden wir viele Infos zu Inhalt und Herkunft. Was wir dort nicht erkennen können: Ob dafür irgendwo auf der Welt Bäume abgeholzt wurde. Die EU will mit einer Verordnung nun für entwaldungsfreie Lieferketten sorgen.
Für viele Lebensmittel werden Bäume gerodet. Es gibt Zahlen, so der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven, die nahelegen: In 90 Prozent der Fälle, in denen irgendwo auf der Welt Wald abgeholzt wird, gibt es einen Bezug zur Landwirtschaft: "Das kennen wir aus Südamerika, aus Asien, wenn Regenwälder abgeholzt werden.
Das soll sich mit der EU-Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten nun für ganz bestimmte Produkte ändern: für Soja, für Kaffee, für Kakao, für Palmöl. Und auch, so Nicolas weiter, wenn es um Weideland und um Folgeprodukte geht – also Kosmetika, Leder oder Schokolade.
Kontrolle mit Satellitenbildern
Wenn auf den Flächen, auf denen diese Produkte angebaut werden, vorher Wald stand, oder wenn es sich nicht nachweisen lässt, ob Flächen für die Herstellung der Produkte abgeholzt wurden, dann sollen diese Waren künftig auf dem EU-Markt nicht mehr verkauft werden dürfen, erklärt der Wissenschaftsjournalist den Inhalt der Verordnung. Geprüft, beziehungsweise überwacht werden soll das Ganze mit sogenannten Geodaten, also Satellitenbildern.
"Die Anbieter, die Hersteller, die Produzenten müssen tatsächlich Nachweise über die Lieferketten bringen: Wo genau wurde das angebaut? Wo genau kommt zum Beispiel dieser Rohstoff her? Und dann soll das alles anhand der Geodaten kontrolliert werden."
Was auf den ersten Blick gut klingt, ist für ihn allerdings Anlass zur Kritik: Denn es würden voraussichtlich so viele Daten anfallen, dass sich die Frage stelle, wer das alles kontrollieren soll. "Natürlich wird das auf Stichproben hinauslaufen", so Nicolas Lieven. Es sei auch fraglich, wie geprüft werden kann, dass ein Produkt wirklich von einem angegebenen Feld stammt.
"Diese Kontrolle wird sehr, sehr schwer sein."
Laut Schätzungen entstehen durch die neue Verordnung Kosten in Höhe von 2,4 Milliarden Euro, berichtet Nicolas. Viele Menschen befürchteten Teuerungen. Tatsächlich ist auch erst mal davon auszugehen, dass die Hersteller die Kosten auch auf die Produkte umlegen werden, so der Wirtschaftsjournalist. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass es eben Geld koste, die Natur nicht weiter auszubeuten und fair und nachhaltig zu produzieren.
"Ehrlicherweise muss man aber sagen: Wir leben im Augenblick einfach damit, dass die Natur ausgebeutet wird. Und wenn wir das ändern wollen, und wenn wir das Ganze fair und nachhaltiger produzieren wollen, dann wird uns das unterm Strich Geld kosten."
Und es gibt weitere Kritik: Eine andere Folge der Verordnung könnte auch sein, dass Produzenten sich andere Abnehmer*innen in anderen Märkten suchen, die bei den Herstellungsbedingungen nicht so genau hinsehen. Möglicherweise seien in China die Auflagen nicht ganz so hoch, sagt Nicolas Lieven.
"Das ist ein bisschen die Sorge, dass möglicherweise die Regale halt auch mal leer bleiben."
Wer sich zukünftig in der EU nicht an die neuen Auflagen hält, den erwartet gemäß der neuen Verordnung ein ziemlich umfangreicher Strafkatalog: Es drohen Geldstrafen in einer Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes, Hersteller*innen können innerhalb der EU vom Markt oder von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen und Waren beschlagnahmt werden.
Sorge um schwierige Nachweise in langen Lieferketten
Nicolas Lieven berichtet zudem, dass sich Hersteller*innen und Produzent*innen große Sorgen um die Realisierung der Nachweise machen. Zum Teil seien an Produkten bis zu hundert verschiedene Gewerke und Zwischenhändler*innen – bis hin zum Kleinbauern – beteiligt.
Trotz dieser Bedenken ist die Auflage inzwischen beschlossene Sache und soll Ende 2024 / Anfang 2025 umgesetzt werden. Für kleinere Unternehmen soll es eine Frist bis Mitte 2025 geben. "Und dann muss das nachgewiesen werden", so der Wirtschaftsjournalist.
Weitere Kritik an EU-Entwaldungsverordnung
Die Liste der Kritikpunkte ist noch länger: Auch Umweltverbände sind mit der Verordnung – so wie sie derzeit ausgestaltet ist – nicht zufrieden, denn bisher sind von dem neuen Gesetz nur wenige Produkte betroffen, sagt Nicolas Lieven. Die Lieferketten von Mais, Zuckerrohr oder Holzprodukten sind nicht eingeschlossen.
Ein weiteres Schlupfloch: Die Verordnung bezieht sich ausschließlich auf Naturwälder, nicht auf naturnahe Wälder. "Das heißt: Wenn es um Wälder geht, die mal aufgeforstet wurden, dann fallen die gar nicht in diesen Bereich. Auch Moore, Feuchtgebiete und Graslandschaften sind nicht betroffen. Und gerade die speichern ja ganz viel CO2", so der Wirtschaftsjournalist. Es gebe noch viele Lücken, die geschlossen werden müssten, bevor die Verordnung 2024 in Kraft tritt.