EU-EntscheidungHaustiere dürfen weiterhin Antibiotika erhalten
Das Europa-Parlament möchte den Antibiotika-Einsatz in der Massentierhaltung einschränken. Haustiere betreffen die Einschränkungen so gut wie gar nicht. Die Regelung soll am 15.09. in Kraft treten.
Antibiotika-Resistenzen sind ein Problem, weil viele Menschen daran sterben. Schätzungsweise gibt es in Europa 33.000 Tote im Jahr aufgrund von Antibiotika-Resistenz.
Besonders im Krankenhaus sind Antibiotika für schwerkranke Menschen unverzichtbar, denn wenn Bakterien sich massenhaft vermehren sind Antibiotika überlebenswichtig. In dem Moment, in dem Medikamente wegen einer Resistenz nicht mehr wirken, sei die Medizin hilflos, sagt der Wissenschaftsjournalist Michael Lange.
Menschen können resistente Erreger in die Kliniken einschleppen
Das Europaparlament möchte aus diesen Gründen den Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung stärker regulieren. Denn Stall und Krankenhaus seien Teil eines Ökosystems, sagt Michael Lange.
Das heißt, wenn wir ein Tier verzehren, das mit Antibiotika behandelt wurde, können resistente Keime in unseren Darm gelangen. So werden sie dann möglicherweise weiter verbreitet. Meist sind Menschen also der Grund dafür, dass resistente Erreger in die Krankenhäuser gelangen, sagt der Wissenschaftsjournalist.
"Die Bakterien haben das Antibiotikum schon vorher kennengelernt. Die wissen, das sieht so und so aus. Und so kann ich mich dagegen schützen."
Nach Schätzungen stammen 19 Prozent aller Resistenzen aus der Landwirtschaft. Vor allem aus der Massentierhaltung. In den letzten Jahren konnte der Verbrauch von Antibiotika deutlich gesenkt werden, da sie als Masthilfe verboten wurden. Für die Behandlung von kranken Tieren waren sie aber weiterhin zugelassen.
Kampagne von Tierärzten verlagert die Diskussion auf Haustiere
Mit einer Unterschriftenkampagne des Bundesverbandes Praktizierender Tierärzte hat sich die öffentliche Diskussion inzwischen von der Massentierhaltung zu den Haustieren verlagert.
Dabei dürfen Antibiotika Haustieren weiterhin verabreicht werden. Humanmediziner und Umweltschützerinnen sind sich dabei einig, dass das Problem um resistente Erreger nicht mit einzelnen Haustieren zusammenhänge, sagt Michael Lange, denn die leben oft einzeln oder in kleiner Anzahl mit Menschen zusammen. Das sei nicht vergleichbar mit den Problemen, die die Massentierhaltung mit sich bringt.
"Einige Experten sagen, die Tierärzte sind da auch nicht ganz ehrlich. Eigentlich wollen sie mit Antibiotika Geld verdienen - nicht nur bei Haustieren, sondern vor allem bei Geflügel und Schweinen."
Reserve-Antibiotika werden nur in seltenen Ausnahmefällen genutzt
Das Europaparlament diskutiert bisher nur eine Regulierung von Reserve-Antibiotika für Haustiere. Reserve-Antibiotika werden genutzt, wenn andere Medikamente nicht anschlagen, sie kommen allerdings nur in wenigen Ausnahmefällen zum Einsatz.
Zum Beispiel, wenn Tiere intensivmedizinisch in Kliniken behandelt werden. Intensivmedizin bei Tieren sei aber eher unüblich, sagt Michael Lange. Der Wissenschaftsjournalist hält es für ratsam, Reserve-Antibiotika veterinärmedizinisch nicht einzusetzen.
Grundsätzlich gilt: Einzelne kranke Tiere, insbesondere Haustiere, sollen weiterhin mit Antibiotika behandelt werden dürfen.
"Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte hat eine Pressemitteilung gemacht, da war ein ganz traurig blickender Hund zu sehen und darüber die Überschrift: 'Mein Leben ist in Gefahr'."
In dieser Debatte um die Regulierung von Antibiotika gehe es in erster Linie nicht um die Haustiere, sondern unter anderem um die prophylaktische Behandlung von Nutztieren. Die Regelung solle verhindern, dass, wenn ein Tier in einer Massentierhaltung erkrankt, alle anderen auch behandelt werden, sagt Michael Lange.
Massentierhaltung: Viele Tiere auf engem Raum
Ein starker Rückgang bei Antibiotika ist bei Schweinen und Rindern zu verzeichnen. Bei Schweinen befinden sich oft nur wenige Tiere in einer Box.
Anders ist das bei Hühnern: Tausende laufen bei einer Bodenhaltung durcheinander. Wenn ein Tier krank wird, kann es Hunderte oder gar Tausende andere anstecken.
Da müsse man in Zukunft aufpassen, sagt Michael Lange, wann ein einzelnes Huhn krank ist und dieses Tier schnell zu behandeln und so die Massenausbreitung der Bakterien zu verhindern. Es bleibe abzuwarten, ob es gelingt, auf diese Weise in der Massentierhaltung viel weniger oder gar keine Antibiotika einzusetzen, sagt der Wissenschaftsjournalist.