Ethik der ForschungDie Grenzen der Wissenschaft ausloten
Was wollen wir wissen, was dürfen wir wissen, und wer überprüft das? Das Grundgesetz regelt all das nicht. Aber: Es garantiert die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre. 70 Jahre, nachdem Artikel 5 in Kraft getreten ist und 100 Jahre nach Max Webers Vortrag über die "Wissenschaft als Beruf", versucht der Rechtsphilosoph Reinhard Merkel eine Antwort auf die Frage nach den Grenzen der Wissenschaft zu geben.
Die Wissenschaft ist frei in Deutschland. So sagt es das Grundgesetz. Allerdings muss das nicht gleichbedeutend sein mit grenzenloser Freiheit. Reinhard Merkel, emeritierter Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht, versucht auszuloten, wo die Grenzen von Wissenschaft und Forschung liegen. In seinem Vortrag lässt er sich von drei Fragen leiten:
- Wie erklärt sich der hohe verfassungsrechtliche Rang der wissenschaftlichen Freiheit?
- Hat dieses Recht Grenzen? Gibt es so etwas wie "verbotenes Wissen"?
- Falls es Grenzen der Wissenschaftsfreiheit gibt: Wer definiert sie? Wer ist für Sanktionen verantwortlich, wenn sie überschritten werden?
"Alle Menschen streben nach Wissen, von Natur aus."
In direktem Zusammenhang mit der Legitimierung wissenschaftlicher Neugierde wird oft auf die Suche der Menschen nach Wahrheit verwiesen, sagt Reinhard Merkel. Auf diesen "Wahrheitspathos" möchte er gern verzichten. Er denkt allerdings darüber nach, in welchem Verhältnis wissenschaftliche Forschung zum Nutzen für die Menschheit steht.
Wissenschaftliche Forschung muss verantwortlich vorgehen. In dem Konzept Verantwortung begründe sich immer eine dreistellige Konstellation: "Jemand ist verantwortlich für etwas - vor einer Instanz, der die Verantwortung geschuldet ist", sagt der Rechtsphilosoph.
"Freiheit heißt Rechte gegen andere zu haben und Pflichten gegen sich selbst."
Wer wem in welcher Weise verantwortlich ist, führt er aus. Und er kommt zu drei Forderungen, die sicherstellen sollen, dass Wissenschaft verantwortlich betrieben wird:
- Ausbau von Institutionen innerhalb des Wissenschaftssystems, die für Grenzfragen der Forschung zuständig sind
- Austausch zwischen Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Medien
- Völkerrechtliche Verträge, die internationale Verfahren regeln
Reinhard Merkel ist emeritierter Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg. Seinen Vortrag über "Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung" hat er am 20. September 2019 an der Leopoldina in Halle gehalten, anlässlich der Jahrestagung der Nationalen Akademie der Wissenschaften.