Esoterik und SpiritualitätDas Geschäft mit der Sinnsuche
Kristalle, Räucherstäbchen, Yoga und Jakobsweg: Im spirituellen Supermarkt kann sich jeder das nehmen, was er braucht, meinen die Konsumforscherin Katharina Husemann und die Wirtschaftsjournalistin Stefanie Diemand.
Spiritualität lässt sich konsumieren. Es gibt einen Markt dafür - folglich wird die Nachfrage bedient, sagt Konsumforscherin Katharina Husemann. Dieser " spirituelle Supermarkt" spiegele die Sinnsuche der Konsumierenden, also die Sehnsucht von Menschen auf der Suche nach (Wieder-)Verbindung mit dem eigenen Ich oder nach einem größeren Zusammenhang im Leben oder Universum.
"Der Markt fängt dieses Bedürfnis ein und bietet ein volles Angebot an spirituellen und esoterischen Produkten und Dienstleistungen im spirituellen Supermarkt."
Dabei gehe es nicht darum, eine Tradition oder eine Denkschule als Ganzes in den eigenen Alltag zu holen. Vielmehr verlaufe diese Sinnsuche hyperindividualisiert. Husemann beschreibt das mit Begriffen aus dem Marketing: "Mix and match, pick and choose". Patchwork-Spiritualität statt in sich geschlossene Gedankenwelt also.
"Der Jakobsweg hat eine tief katholische Tradition, wimmelt aber jetzt von Angeboten an Yoga und Reiki und Meditation - eine kunterbunte Mischung."
Stefanie Diemand, Wirtschaftsredakteurin der FAZ, findet diesen Markt recht groß und sehr unübersichtlich. Das Angebot reiche von Sport- oder Health-Produkten wie Yogamatten bis hin zu esoterischen und homöopathischen Präparaten. Der größte deutsche Globuli-Hersteller Deutsche Homöopathie-Union (DHU) beziffere seinen jährlichen Umsatz auf 900 Millionen Euro.
"Wir wissen, dass im Jahr 2020 12 Prozent der verkauften Sachbücher aus dem spirituellen Bereich kamen."
In den Läden macht Diemand zahlreiche Produkte mit esoterischem Hintergrund aus, die konsumiert würden, ohne dass die Käufer Esoteriker sein müssten, etwa wenn sie Lebensmittel mit Demeter-Siegel einkaufen. Auch in Social Media gebe es esoterische Inhalte. In ihnen sieht die Journalistin eine potentielle Gefährdung von (jugendlichen) Usern, wenn etwa eine vermeintliche Hexe "psychologische Beratung" anbietet.
"Eigentlich ist Spiritualität eine Gegenbewegung zum Konsum. Eine Bewegung, die sich gegen Materialismus stellt. Davon sind wir auf dem Esoterik-Markt weit entfernt."
Katharina Husemann ist Senior Lecturer in Marketing am King's College London. Stefanie Diemand ist Wirtschaftsredakteurin bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Ihre Kurzvorträge unter dem Titel "Geldmacherei und Aberglaube – Der Esoterikmarkt" haben sie auf Einladung der Bundeszentrale für politische Bildung am 5. September 2022 in Fulda gehalten, anlässlich der Tagung "Esoterik und Demokratie".