Erneuerbare Energien #6Erneuerbare im Check: das Fazit unserer Reihe
Wie wird die Energieversorgung in Deutschland in der Zukunft aussehen? Wo stehen wir heute, wo gibt es Schwierigkeiten und (ungenutzte) Chancen? Das alles klären wir im Check Erneuerbare Energien. Hier das Fazit.
In unserer Reihe, in der wir die fünf wichtigsten erneuerbaren Energieträger vorgestellt haben, erläutern wir die Vor- und Nachteile von Windkraft, Solarenergie, Biogas, Wasserkraft und Geothermie. Das alles ist wichtig zu wissen, könnte aber den Eindruck erwecken, als würden wir in Deutschland die verschiedenen Energieträger abwägen können: "Welche Variante hat die meisten Vorteile? Dann lass und doch genau diese nehmen." Doch so funktioniert es nicht.
Unter der Voraussetzung, dass wir generell auf erneuerbare Energieträger umsteigen wollen, herrscht eine gewisse Alternativlosigkeit – was weniger an politischen Entscheidungen liegt, sondern an der Beschaffenheit Deutschlands, das außer Wind und Sonne energietechnisch nicht viel zu bieten hat:
- Das Potenzial der Wasserkraft in Deutschland ist so gut wie ausgeschöpft – langfristig wird sie eine sehr kleine Rolle für die Stromversorgung spielen.
- Die Geothermie zeigt vielversprechende Entwicklungen, vor allem bezogen auf Wärme (Heizen von Gebäuden, Warmwasser). In der Regel ist aber zusätzlich eine Wärmepumpe nötig, die mit Strom betrieben wird (der aus einer anderen Energiequelle kommt).
- Biogasanlagen haben große technische Vorteile. Ihr Einsatz ist aber stark begrenzt, wenn wir nicht großflächig Energiepflanzen anbauen wollen und damit eine Konkurrenz zu Nahrungs- und Futtermitteln schaffen.
- Es bleiben: Photovoltaik und Windkraft. Diese beiden Energieträger haben in Deutschland das mit Abstand größte Potenzial.
Politische Entscheidungen haben großen Einfluss auf Energiewende
Dafür, dass Deutschland die Energiewende vollzieht und aus Kohle, Gas und der Kernkraft aussteigt, sprechen gleich mehrere Gründe: Klimaschutz, Unabhängigkeit von Importen, zeitlich unbegrenzte Verfügbarkeit. Und so sind sich die meisten Parteien darüber einig, dass die Energiewende kommen muss. Die Fragen sind: Wie? Und: Wie schnell?
Diese beiden Fragen können innerhalb der Voraussetzung "Energiewende ja" und der gegebenen natürlichen Potenzial-Bedingungen Wind und Sonne politisch beantwortet werden. Ein Beispiel: Wird politisch festgelegt, dass ein Windrad mindestens 1000 Meter von einem Wohngebiet entfernt sein soll, könnten auf sechs Prozent der Fläche in Deutschland Windräder aufgestellt werden. Beträgt der Abstand dagegen nur noch 600 Meter, beträgt die potenzielle Fläche für Windräder 14 Prozent - also mehr als das Doppelte (vgl. Studie "Potenzial der Windenenergie an Land", S. 38).
Das Beispiel zeigt: Politische Entscheidungen können den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen – und erschweren. Auch deshalb sind Fragen nach einem möglichen Zeitpunkt, wann das letzte Kohle-Kraftwerk abgeschaltet werden kann, nie rein faktisch, sondern immer auch politisch beeinflusst.
Denn je schneller und je mehr Kohle-Kraftwerke vom Netz gehen, desto mehr und desto schneller müssen woanders Windräder aufgestellt werden. Am Ende muss die Politik also auch darüber entscheiden, ob sie das Interesse der Klimaschützer und Kohlegegner stärker gewichtet als das Interesse der Anwohner, die keine Windräder in ihrer Nähe haben wollen – oder eben genau umgekehrt.
"Bei der Energiewende reden wir eigentlich nur über Strom. Wir brauchen aber auch Wärme zum Heizen und Duschen. Wenn wir die mitberücksichtigen, werden wir noch viele weitere Windräder und Photovoltaik-Anlagen bauen müssen."
Vermutlich wird der Streit über den Ausbau von Windrädern und Solarparks noch weiter zunehmen – denn er hat gerade erst begonnen. Zwar kam im Jahr 2017 schon rund ein Drittel des in Deutschland produzierten Stroms aus Erneuerbaren. Allerdings bezieht sich diese Zahl eben nur auf Strom. Beim Begriff "Energiewende" bleiben die Wärme fürs Haus, für Warmwasser und Benzin und Diesel fürs Auto meist unberücksichtigt. Würde man das alles berücksichtigen, beträgt der Erneuerbare-Energien-Anteil nicht mehr ein Drittel, sondern nur noch rund ein Achtel.
Der Knackpunkt ist: Die technischen Entwicklungen lassen vermuten, dass wir in Zukunft einige Dinge auf Strom umstellen müssen, die bisher auf der Verbrennung von Erdgas und Erdöl basieren:
- Die Heizung liefert die Wärme nicht mehr über Verbrennung (Erdgas/Heizöl), sondern über eine Wärmepumpe (Strom, eventuell kombiniert mit Erdwärme).
- Warmwasser für die Dusche erzeugt nicht mehr die Therme (Erdgas), sondern ein Durchlauferhitzer oder die Wärmepumpe (Strom).
- Autos fahren nicht mehr mit Benzin und Diesel, sondern elektrisch.
- Selbst Flugzeuge, die noch sehr lange mit Kerosin fliegen werden, könnten je nach technischer Entwicklung auf einen elektrischen Antrieb umgestellt werden. Wahrscheinlicher ist, dass sie weiterhin mit Kerosin fliegen, dieses aber synthetisch mithilfe von Strom hergestellt wird.
Vermutlich werden nicht alle Entwicklungen genau so eintreten, aber sie zeigen: Unser Bedarf an Strom wird steigen – um das zwei- bis siebenfache. Eine Prognose ist schwierig, weil es viele unsichere Variablen gibt. Allein wie viele Häuser wie gut gedämmt werden, macht bei der Ermittlung des zukünftigen Energiebedarfs einen großen Unterschied aus.
Jeder Einzelne kann Energiewende beeinflussen
Fest steht: Wollen wir unsere Strom- oder sogar die komplette Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger umstellen, werden wir noch viele weitere Windräder und viele weitere Quadratmeter Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächer und Freiflächen brauchen.
Wie schnell der Umbau stattfindet und auf welche Interessen von Bürgern, Gewerbe und Industrie dabei Rücksicht genommen wird, wird in erster Linie politisch beantwortet. Die Energiewende können wir also nicht nur durch die Wahl des Energieversorgers beeinflussen, sondern auch in der Wahlkabine.