Daten aus der NetzcrowdMit Twitter schneller Erdbeben feststellen
Bei Erdbeben zählt jede Minute, um die Menschen zu warnen und die Hilfe zu starten. Um Erdbeben zu lokalisieren, werden bislang Daten seismischer Stationen genutzt. Aber die Netzcrowd kann ebenso mithelfen: mit App-Daten und Tweets. Zu dem Ergebnis kommt ein Forscherteam, das klassische Daten mit Userdaten kombiniert hat, so unser Netzreporter Michael Gessat.
Es ist extrem wichtig, dass Menschen in Erdbeben-Gebieten schnell informiert werden, wenn der Boden bebt. Auch für Behörden kann es um Minuten gehen, um Hilfe zu organisieren. Deshalb sind für eine schnelle Erbebenüberwachung weltweit seismische Stationen verteilt, die auch die kleinsten Erdstöße erfassen. Es dauert dann etwa drei bis acht Minuten, bis aus diesen gelieferten Daten der genaue Ort, die Tiefe des Bebenherdes und die Stärke errechnet sind.
User können helfen, Erdbeben schneller zu lokalisieren
Das könnte bald schneller gehen und zwar dann, wenn Experten die Aufzeichnungen der seismischen Stationen mit den Daten von Usern kombinieren. Dann könnten sie im Schnitt über eine Minute schneller mitteilen, wo ein Beben stattgefunden hat.
Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forschungsteam um Robert Steed vom Europäisch-Mediterranen Seismologischen Center (EMSC). Im Fachmagazin Science Advances berichten sie über ihre Untersuchung. Sie werteten Daten zu mehr als 1500 Erdbeben in den Jahren 2016 und 2017 aus.
Sie überprüften aber nicht nur die Daten der seismischen Stationen , sondern ebenso die der App Last Quake, die das EMSC herausgegeben hat. Mit der App können User aktiv melden, wenn sie gerade ein Beben spüren, so Netzreporter Michael Gessat. Die User können einer Meldefunktion zustimmen, die ihren aktuellen Standort mitschickt.
"Die Idee der Forscher war, die Signale aus der Netzcrowd-App und Tweets mit der klassischen Erdbebenlokalisierung zu kombinieren."
Außerdem durchforstete das Forscherteam Twitter. Sie suchten nach Tweets mit dem Begriff Erdbeben - und zwar in 59 unterschiedlichen Sprachen. Bei Twitter lässt sich der Standort eines Twitter-Users aus den Profilangaben herauslesen. Die User können zwar den Standort frei wählen, doch der Großteil der Nutzer gibt ihn korrekt an.
Tweets zu Erdbeben
"Interessant und auch nachvollziehbar ist es bei stärkeren Beben, dass die App-Meldungen und Tweets nicht direkt aus dem Zentrum kommen", sagt Michael Gessat. Die Leute haben vermutlich andere Probleme in diesem Moment. Die Meldungen gingen eher aus dem Umkreis des Erdbebens ein, so Joachim Saul vom GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam, der zum Forscherteam gehört. Die Verteilung der Meldungen sehe aus wie ein Donut, so Joachim Saul im Telefongespräch.
Die Signale aus der Netzcrowd-App plus der Tweets kombinierten die Forscher dann mit der klassischen Erdbebenlokalisierung. Bei der Methode werden die gemessenen Erschütterungen mehrerer Erdbebenstationen miteinander verrechnet. Diese Kombination wendete das Team eben auf 1500 Erdbeben aus den Jahren 2016 und 2017 an. Das Ergebnis: Die Zeit der Lokalisierung von Erdbeben lässt sich durchschnittlich um eine Minute verkürzen. Teils sogar um mehrere Minuten.
Jede Minute zählt
Bei Erdbeben ist es wichtig, die Menschen vor Ort schnell zu informieren und nicht im Ungewissen zu lassen. Wichtig ist der Faktor Zeit auch für Behören, um zum Beispiel Brücken oder auch Gasleitungen zu sperren. In Hochrisikogebieten, wie zum Beispiel in Japan, versucht man, Beben sogar sekundenschnell zu lokalisieren. Man kann dann vielleicht sogar Leute warnen, bevor die Bebenwelle ankommt. Hierzu braucht es aber ein sehr dichtes, teures Netz von Sensoren.
Das Forscherteam hat hingegen eine fast kostenlose Möglichkeit untersucht, die direkt reif für die praktische Anwendung ist.
- "Ich dachte: Sterbe ich jetzt?" | Jost Kobusch wollte der jüngste Besteiger des Mount Everest ohne Sauerstoff werden. Das Erdbeben in Nepal durchkreuzte seine Pläne. Mit Glück überlebte der 22-Jährige.
- Weltwirtschaftsforum: Klima- und Naturkatastrophen als größte Risiken | Wovor sich unsere Welt hüten sollte, dazu befragt das Weltwirtschaftsforum jährlich Experten. Der neue Bericht zeigt, dass die Natur die Hauptrolle spielt.