EnergiepreiseWarum Strom an der Börse so billig ist, aber nicht für uns
Der Strompreis an der Börse ist zum Jahresanfang auf ein paar Cent gefallen. An unserer Stromrechnung macht sich das aber nicht bemerkbar. Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven erklärt, warum das so ist.
Anfang des Jahres war kurzfristig viel Strom verfügbar, erklärt der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven. Das liegt zum einen an viel Wind um Silvester, sodass die Windparks viel Strom geliefert haben. Zum anderen haben viele Industrieanlagen still gestanden über die Feiertage und haben weniger oder keinen Strom abgenommen. Das Stromangebot war also hoch und die Nachfrage niedrig, somit fällt der Preis, sagt Nicolas Lieven.
"Zwischen den Jahren war es so, dass der Strompreis tatsächlich unter null sank. Das heißt, wer Strom abgenommen hat, hat sogar noch Geld dazubekommen."
Wir als Stromverbraucher und -verbraucherinnen zahlen dagegen im Schnitt zwischen 40 und 42 Cent pro Kilowattstunde. Allerdings gibt es auch viele, die 60 Cent pro Kilowattstunde zahlen. "Es gibt sogar Stromanbieter, die verlangen einen Euro pro Kilowattstunde", berichtet der Wirtschaftsjournalist. Das liegt daran, dass unser Strompreis nicht identisch ist mit dem an der Börse.
Der reine Strompreis macht an unseren Stromkosten ungefähr 40 Prozent aus. Dann kommen Strom- und Mehrwertsteuer, Netzentgelte und andere Kosten dazu.
"Aber natürlich ist es total ärgerlich, wenn wir von diesen Billigpreisen nichts haben."
Die Preisschwankungen bei den Energiepreisen bekommen wir nicht so schnell durchgereicht wie beispielsweise bei Lebensmitteln oder Benzin. Das liege an den langfristigen Verträgen, die die Versorger abschließen, sagt Nicolas Lieven. So ist zu Beginn der Energiekrise der Strompreis nach oben geschnellt, lag vor einem halben Jahr bei 70 Cent pro Kilowattstunde, ohne dass sich die Verbraucherpreise direkt geändert hätten. Jetzt sei es genau umgekehrt.
Strom wird für uns teuer bleiben
Nicolas Lieven glaubt aber nicht, dass unser Strompreis langfristig erheblich sinken wird. Das liege daran, dass wir mehr und mehr Strom aus erneuerbaren Energien gewinnen wollen. Wenn es gerade viel Wind und Sonne gibt und viel Strom produziert wird, dann ist der Preis günstig. Aber in den Ausbau der Anlagen und der Speicherkapazitäten müsse noch viel Geld investiert werden, das wir mit unserem Strompreis finanzieren. Bis diese Technologie ausgebaut ist, müssten wir noch auf fossile Energieträger wie auf LNG-Gas zurückgreifen, das teuer ist. Hier ist die Nachfrage hoch und das Angebot gering.
Fürs Gleichgewicht: Strom ins Ausland abgeben
Trotzdem hat Deutschland Strom ins Ausland verschenkt oder günstig abgegeben. Das ist aber kein großzügiges Geschenk, sondern reiner Eigennutz. Denn der Strom muss im Netz im Gleichgewicht sein. Das heißt, dass immer so viel zur Verfügung steht, wie abgenommen wird. Funktioniert das nicht, kommt es zu einem Brownout. Das Stromnetz muss an bestimmten Stellen abgeschaltet werden, damit es nicht zu Überlastungen kommt, erklärt Nicolas Lieven. Um dem zu entgehen, wurde Strom günstig ins Ausland abgegeben.
Andersherum könnte es auch passieren, dass wir von einer Stromüberkapazität unserer Nachbarländer profitieren. Das deutsche Stromnetz ist ja nicht isoliert, sondern gehört dem sogenannten europäisches Verbundnetz an, erklärt Nicolas Lieven. Das heißt, dass sich die Länder gegenseitig aushelfen, wenn die vorhandene Strommenge nicht ausreicht, um die Versorgung zu gewährleisten und das Netz stabil zu halten.
Versorgungsstabiliät im europäischen Verbundnetz
Ein gutes Beispiel ist Frankreich, dessen Atomkraftwerke zumindest zum Teil bis heute nicht regulär laufen. Um Frankreich auszuhelfen, haben wir hier in Deutschland in den vergangenen Monaten mehr Strom produziert und nach Frankreich zusätzliche Strommengen exportiert, sagt der Wirtschaftsjournalist.
"Das hat übrigens auch mit dafür gesorgt, dass unser Strom teurer wurde", sagt Nicolas Lieven. Denn üblicherweise bekommen wir billigen Atomstrom aus Frankreich, den wir nun durch teuren Erdgas- und Kohlestrom ersetzen oder vielmehr zusätzlich produzieren müssen. "Aber hier gilt eben das Prinzip der europäischen Solidarität", so Nicolas Lieven.
"Übrigens findet dieser Austausch mit anderen Ländern täglich statt. Das ist ganz normaler Alltag, um Angebots- und Nachfrageschwankungen auszugleichen."
Zu unseren Stromhandelspartnern zählen unter anderem Belgien, Norwegen, Polen, Schweden, die Niederlande, Tschechien, Dänemark und die Schweiz. "Wobei wir in der Regel deutlich mehr Strom exportieren als importieren", erklärt der Wirtschaftsjournalist.