EmokaterWenn wir nach dem Rausch in ein Loch fallen
Wenn Selly nach einem Partyabend mit einem Kater aufwacht, startet bei ihr oft auch eine Gedankenspirale: Hab ich mich doof verhalten? War das zu viel Alkohol? Was wir machen können, um einen Emokater zu vermeiden, erklärt Suchttherapeutin Stefanie Bötsch.
Was habe ich gestern alles erzählt? Habe ich zu viel geredet oder etwas gesagt, was ich lieber für mich behalten hätte? Mit solchen Gedanken wacht Selly öfter mal auf, wenn der Abend davor ausgelassen war und sie merkt, dass der letzte Drink einer zu viel war.
Emokater, Depri-Kater, Hangxiety
Ein Emokater bringt nicht unbedingt auch körperliche Symptome wie Kopfschmerzen oder ein Gefühl der Übelkeit mit sich. Bei Selly macht sich eher ein Gefühl breit, das sie zum Grübeln bringt: Sie hat die Sorge, am Abend davor peinlich gewesen zu sein. Von ihren Freund*innen weiß sie aber: Sie hat sich nicht daneben benommen. Alles ist gut.
"Ich würde sagen, dass nie etwas gravierend Schlimmes dabei war. Es sind meistens eher die eigenen Schuldgefühle, die einem einreden, dass man peinlich wäre."
Der Emokater, den Selly beschreibt, ist auch als Hangxiety bekannt. Damit ist ein Stimmungstief gemeint, das sich sogar als depressive oder ängstliche Stimmung zeigen kann, nachdem man Alkohol oder Drogen konsumiert hat. Mit Hangxiety sind in erster Linie die emotionalen und psychischen Folgen einer Partynacht gemeint. Körperliche Symptome wie Schwitzen und Herzklopfen können auch auftreten. Die sind in der Regel aber psychosomatisch, stehen also in Zusammenhang mit unseren Emotionen.
Spazieren, gut essen, viel Wasser
Früher hat sich Selly mit ihrem Emokater oft im Bett vergraben und ist dort auch den Tag über geblieben. Heute achtet sie darauf, dass sie an einem Emokater-Tag etwas unternimmt, sagt sie. Das kann zum Beispiel ein Spaziergang sein.
An einem Hangxiety-Tag sollten wir uns in jedem Fall ausreichend Raum geben, damit sich unser Körper und unsere Psyche erholen können, sagt Suchttherapeutin Stefanie Bötsch. Darum können wir uns auch schon im Vorfeld kümmern: Wir können uns zum Beispiel etwas Gesundes zu essen vorbereiten oder uns vornehmen, uns draußen zu bewege. Vor allem können wir uns vor Augen führen, dass der Emokater eine Folge aus der Partynacht davor ist und er auch wieder vorbeigeht.
Wie trinken wir Alkohol?
Wie ausgeprägt ein Emokater bei uns ist, ist individuell. Viele Faktoren können das beeinflussen, erklärt die Suchttherapeutin. Neben der Menge und der Substanz, die wir konsumiert haben, spielen beispielsweise auch das Alter und die Gene eine Rolle.
Was auch mit hineinspielen kann: Wie groß ist der Unterschied zwischen unserem Party-ich und unserem Alltags-ich? Erleben wir beim Feiern etwa ein krasses High, einen Zustand der Euphorie, fühlen uns frei und verbunden, kann der Emokater stärker ausfallen, wenn wir am nächsten Tag in unseren routinierten Alltag zurückkehren. Also in eine Zeit, die eher langsamer verläuft, durch Gewohnheiten geprägt ist und in der weniger Außergewöhnliches passiert.
"Man hat bei Alkohol so viele Punkte, wie Alkohol auf unseren Körper wirkt, dass es eine sehr logische Konsequenz ist, dass es uns danach nicht gut geht."
Was Stefanie Bötsch in dem Zusammenhang für besonders wichtig hält, ist die Frage, wie wir Alkohol trinken: "Ist es für mich eher eine Ausnahme, eine bewusste Entscheidung? Oder sage ich: Mein Leben ist stressig, und weil ich sonst immer 180 Prozent gebe, muss sich auch beim Feiern 180 Prozent geben?"
Dabei sollte klar sein, dass Alkohol vieles in unserem Körper in ein Ungleichgewicht bringt: Botenstoff in unserem Gehirn, die unsere Stimmung regulieren zum Beispiel. Zusätzlich sind wir durch das Trinken von Alkohol anfällig für eine Dehydrierung und schlechten Schlaf. "Man muss gucken, dass auch körperliche Symptome, die zum Beispiel sehr nah an Angstsymptomen sind – wie ein allgemeines Unwohlsein – auch Angst auslösen", erklärt die Suchttherapeutin.
Lieber kein Alkohol statt Hangxiety
Sie beobachtet in ihrer Arbeit auch, dass bei manchen ihrer Klient*innen der Emokater so ausgeprägt ist oder immer länger anhält, dass sie lieber weniger oder gar nichts mehr konsumieren, als die Depri-Schleife in Kauf zu nehmen. Selly ist einen ähnlichen Schritt gegangen: Sie kommt mittlerweile viel seltener in den Hangxiety-Modus, weil sie auf ihr Limit achtet. Sie trinkt also bewusster Alkohol und macht auch immer wieder Pausen, in denen sie für mehrere Woche ganz auf Alkohol verzichtet.
Im Gespräch erklärt Suchttherapeutin Stefanie Bötsch noch mehr darüber, was zum Beispiel beim Trinken von Alkohol in unserem Körper passiert und was ein ratsamer Umgang damit ist. Klickt dafür oben auf den Play-Button.
Bestimmte Dinge beschäftigen dich im Moment sehr? Du hast das Gefühl, in einer Situation zu stecken, die du nicht alleine klären kannst? Du weißt nicht mehr, wie es weitergehen soll? Hier findest du einige anonyme Beratungs- und Seelsorge-Angebote oder auch Informationen zum Thema Sucht.