Anna-Nicole HeinrichEKD-Präses: Kirche ist gut darin, Umbrüche im Leben zu begleiten
Anna-Nicole Heinrich wird im April 28 Jahre alt und trägt in der evangelischen Kirche bereits große Verantwortung. Sie glaubt, dass Kirche junge Menschen in Umbruchzeiten gut begleiten und ihnen auch Räume zum Durchatmen geben kann.
Anna-Nicole Heinrich ist am 13. April 1996 in keine sonderlich christliche Familie geboren worden. Als Grundschülerin hat sie sich für den evangelischen Religionsunterricht entschieden. Über die Jahre hat sie die Gemeinschaft ganz unterschiedlicher Menschen und ihre Art und Weise, über Jesus Christus zu erzählen, immer mehr fasziniert.
Kirche in Bewegung und in Kontakt mit Jüngeren mitbringen
Mit 25 wurde Anna-Nicole Heinrich zur Präses gewählt, der Vorsitzenden der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dem höchsten ehrenamtlichen Gremium der EKD. Sie steht vor der Herausforderung, in der Institution Kirche dieses verantwortungsvolle Amt würdevoll auszufüllen, sagt sie. Gleichzeitig will sie dicke "institutionelle Bretter bohren" und die Kirche in Bewegung bringen, damit wieder mehr junge Menschen in Kontakt mit der Kirche kommen.
Denn Kirche oder viel mehr die Kirchenmitglieder können gut Menschen in Umbruchsituationen begleiten, sagt Anna-Nicole Heinrich. Umbruchsituationen sind zum Beispiel die Taufe oder die Sterbebegleitung.
"Ich glaube, diese Stärke müssen wir gerade auch auf die Generation zwischen 14 und 30 beziehen und noch mal ganz genau hinschauen: Welche Lebensumbrüche finden bei den Menschen dieser Generation statt, die sich Begleitung erhoffen?"
Auch im Leben junger Menschen gebe es Situationen, in denen das Leben auf den Kopf gestellt werde. Welche Umbrüche das sein können und wie diese begleitet werden könnten, darauf müssten Antworten in der Kirche gefunden werden.
Kirche sei aber auch ein Ort, an dem Menschen der Schnelllebigkeit unserer Zeit entfliehen und dort einen Ruheort finden könnten, um einfach durchzuatmen und zur Ruhe zu kommen. "Einfach mal sein können, nicht immer leisten müssen", sagt Anna-Nicole Heinrich.
Bundesweites Kirchennetzwerk
Die Stärke der Kirche sei, dass nahezu in jeder Stadt oder jedem Dorf eine Kirche steht, wo Menschen einander begegnen können, ohne dass sie Mitglied der Kirche sein müssen. "Hier kann ich mich vielleicht ein Stück weit selbst verwirklichen und meinem Engagement nachgehen", meint Anna-Nicole Heinrich. Denn es gebe immer noch viele junge Menschen, die sich in der Kirche engagieren. Und gerade nach der Pandemie spüre sie das Bedürfnis bei den Menschen, sich direkt und nicht unbedingt digital zu begegnen.
Trotzdem sind die digitalen Angebote der Kirchen für manche die erste ernsthafte Auseinandersetzung mit Religion. "Das Digitale kann ein riesiges Einfallstor sein. Diese Tür muss weit aufgemacht werden, weil so einfach Erstkontakte hergestellt werden können", sagt die EKD-Präses.
"Wir haben einen riesigen Schatz. Wir sind nicht nur Leitende der evangelischen Kirche oder Pfarrerinnen und Pfarrer, sondern eine Gemeinschaft von Christen, die super divers ist und die auch im Netz zeigen kann, was es heißt, Christ zu sein."
Gerade wenn Menschen sehen, dass Christen ihnen ähnlich sind, ähnliche Lebensentwürfe oder Ideen haben, könnte das den Kontakt zur Kirche erleichtern. Wenn diese Menschen dann von ihrem Glauben, der Leidensgeschichte Jesu und der Bedeutung des Osterfests auf Social Media erzählen, kann das für andere ein Impuls sein, der sie gedanklich über Tage begleite.
Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung habe auch gezeigt, so Anna-Nicole Heinrich, dass nicht nur Kirchenmitglieder, sondern auch Nichtmitglieder Erwartungen an die Kirche haben. So zum Beispiel das Engagement für sozial Benachteiligte oder für Geflüchtete. Aber auch, dass Kirche ihre Geschichte und die Geschichte des Glaubens erzählt. "Das ist erst mal spannend wahrzunehmen, auch wenn unsere Mitgliederzahl kleiner wird, die Menschen erwarten trotzdem etwas von uns, auch wenn sie sich gerade nicht eng zugehörig zu uns fühlen".