Mitarbeiter auf AbrufAllzeit bereit, allzeit gestresst
Der Einzelhandel beschäftigt zu Stoßzeiten wie dem Sommerschlussverkauf gerne Arbeitnehmer "auf Abruf". Wir erklären, was das ist und welche Probleme es mit sich bringt.
Der Sommer ist zwar noch nicht ganz vorbei. Aber in den Läden hängen schon jetzt die neuen Herbstklamotten und sollen uns zum Shoppen verführen. Außerdem gehen die Ferien in vielen Bundesländern zu Ende. Stoßzeiten kündigen sich also an. Für den Einzelhandel, etwa die Klamottenkette H&M, bedeutet das: Sie brauchen zusätzliche Arbeitskräfte, um die Kunden versorgen zu können.
Anruf kommt kurz vor knapp
Die Lösung: Arbeitskräfte, die kurz vor knapp eingeplant werden: Arbeit auf Abruf. Die Beschäftigten werden häufig extrem kurzfristig angerufen – manchmal erst am selben Morgen, erklärt Mischa Erhardt aus der Deutschlandfunk-Nova-Wirtschaftsredaktion.
In den Stoßzeiten werden Beschäftigte dann sehr häufig angerufen. Im nächsten Monat kann es dann aber sein, dass das Handy stumm bleibt.
"Die Beschäftigten müssen manchmal sehr viel arbeiten und manchmal sehr wenig."
Das bedeutet: Die Beschäftigten wissen schlicht und einfach nicht, wann sie wie viel arbeiten. Außerdem müssen sie vielleicht zu Zeiten ran, die ihnen gar nicht passen – und haben deshalb am Ende des Monats zu wenig Geld in der Tasche.
1,8 Millionen Deutsche betroffen
Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Stand: Juni 2018) sind in Deutschland rund 1,8 Millionen Menschen auf Abruf beschäftigt. Das sind 4,5 Prozent aller in Deutschland Beschäftigten. Das Phänomen ist also verbreiteter, als viele denken, sagt Mischa Erhardt. Samt der damit verbundenen Probleme.
Über Sinn und Unsinn des Systems
In der Gastronomie sei es unter Umständen sinnvoll, Mitarbeiter auf Abruf zu beschäftigen oder lasse sich begründen, sagt Mischa Erhardt. Beispiel: Wenn die Sonne scheint, gehen mehr Menschen in den Biergarten.
Auf der anderen Seite würden Untersuchungen jedoch zeigen, dass diese Beschäftigungsform für die Betroffenen schlecht ist – vor allem, weil sie Gesundheitsprobleme mit sich bringt: Derart Beschäftigte hätten etwa häufiger Rückenprobleme. Denn da sie nicht zuverlässig planen können, erhöhe sich natürlich auch deren Anspannung.
"Studien sagen: Je weniger Planungssicherheit ein Beschäftigter hat, desto angespannter ist er."
Das System ist grundsätzlich legal, das Gesetz gebe dafür einen Spielraum her, sagt Mischa Erhardt.
Gesetzlicher Spielraum wird oft überzogen
Laut §12 Abs. 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) muss den Angestellten zum Beispiel mindestens vier Tage im Voraus mitgeteilt werden, wann sie eingeplant sind. In der Realität findet das aber eben nicht immer statt. Auf den bestehenden Möglichkeiten seien Arbeitsmodelle aufgebaut worden, die sehr zweifelhaft sind, sagt auch Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
"Im Grunde genommen sind Auf-Abruf-Beschäftige nichts anderes als moderne Tagelöhner."
Vorteile hat das System vor allem für die Unternehmen. Auf Arbeitnehmerseite überwiegen die Nachteile. Für Studenten kann es auch ein Vorteil sein, denn die Beschäftigungsform ist manchmal gut mit dem Studium vereinbar.
Die Bundesregierung wolle die Regeln zwar etwas straffen und die Arbeitszeitschwankungen auf höchstens 25 Prozent beschränken, sagt Mischa Erhardt. Das grundsätzliche Problem, auf Abruf bereitstehen zu müssen, löse das aber nicht.
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