Ethel Brooks, Soziologin & Romni"Wir müssen uns wehren. Das ist unsere einzige Überlebenschance!"
Ethel Brooks ist Wissenschaftlerin, Feministin und hat immer wieder Erniedrigungen erlebt. Zuletzt bei der Einreise nach Irland. Dorthin war sie eingeladen, um beim Holocaust-Gedenktag zu sprechen. Denn Ethel ist Romni.
Nach dem Transatlantik-Flug sah Ethel vielleicht etwas müde aus: „Ich hatte nicht geschlafen", sagt sie. Hinzu kam die Zeitverschiebung. Ethel kam gerade aus den USA, wo sie einen Lehrstuhl für Gender Studies und Soziologie an der Rutgers University, New Jersey, innehat.
Der Beamte bei der Einreise stellte also seine Standardfragen: "Warum kommen Sie nach Irland? Wie lange wollen Sie bleiben?" – und so weiter. "Und ich sagte nur, dass ich an einer Veranstaltung teilnehmen werde. Und er fragte mich: 'Was für eine Veranstaltung?' Und ich sagte nur: Es ist der Holocaust-Gedenktag für Roma." Der findet jedes Jahr am 2. August statt, auch in Deutschland. "Und der Beamte sagte: 'Roma? Das sind doch die, die immer stehlen!' Und ich sagte: Ich gehöre zu dieser Gemeinschaft!"
Ereignisse wie diese sind leider keine Seltenheit. Weder für Ethel noch für andere Roma und Sinti weltweit. Die Vorurteile sitzen tief und werden immer noch weiterverbreitet.
"Wir brauchen dringend mehr Aufklärung über das Schicksal der Roma!"
Weltweit gibt es etwa zwölf Millionen Roma und Sinti, schätzt Ethel. Etwa eine Million in den USA, eine Million über die Welt verteilt und etwa zehn Millionen in Europa. Damit ist es die größte ethnische Minderheit in Europa. Und immer wieder werden alte Vorurteile ausgepackt: Roma stehlen, Roma ziehen umher und Roma sind keine vollwertigen Mitglieder der Gesellschaft.
Begriffe wie "Zigeuner" und "Gypsies" halten sich. "Zigeuner" zum Beispiel ist in der Geschichte immer wieder als stereotype und entwertende Beschreibung für Volksgruppen benutzt worden, die anders als die Mehrheit gelebt haben. Als positive Anerkennung eines anderen Lebensentwurfs war das aber wohl nie gemeint.
"I am a Romani Feminist!"
Roma-Familien haben häufig ganz normale Jobs und Aufgaben der Gesellschaft übernommen. Ethels Familie hat zum Beispiel Pferde aus Europa in die USA importiert, sie gezüchtet und mit ihnen gehandelt. Das hat aber nicht zu mehr Akzeptanz geführt. Ethels Mutter wurde aus der Schule gedrängt. Nicht offiziell rausgeschmissen, aber eben nach und nach isoliert.
"Wir müssen uns unsere Kultur zurückholen."
Ethel kämpft seit Jahren für die Roma. Sie ist die erste Roma in den USA, die einen Doktortitel erworben hat. US-Präsident Obama hat sie 2016 in das „US Holocaust Memorial Council" berufen. Außerdem sitzt sie im Berater-Gremium des RomArchivs, einer Organisation mit Sitz in Berlin, die ein digitales Archiv der Roma-Kultur aufbaut. So langsam scheint sich etwas zu verändern. Doch es bleibt noch viel zu tun.
In Eine Stunde Talk erzählt Ethel, welche Werte die Roma-Gemeinschaft verbindet, wie sie gegen die Diskriminierungen kämpft und was sie Angela Merkel gerne beim Lunch sagen würde.