Medizinhistoriker Nils HanssonDas Stockholm-Syndrom
Wer einen Nobelpreis bekommt, wird unsterblich. Wer ihn knapp verpasst, bleibt unbekannt. Denn die Akten des Nobel-Institutes bleiben lange geheim. Bis Nils Hansson sie in die Hände bekommt.
Nils Hansson ist promovierter Medizinhistoriker und Schwede. Damit hat er ideale Voraussetzungen, um die Akten des Nobel-Instituts zu lesen und einzuordnen. Denn die alten Unterlagen sind fast ausschließlich auf Schwedisch. Dazu gehören zum Beispiel die Nominierungen und die ausführlichen Gutachten. Nils ist einer der ersten, der die Unterlagen zum Medizin-Nobelpreis intensiv erforscht.
"Es gibt mehr preiswürdige Forscher als Nobelpreise."
Ein halbes Jahrhundert - so lange sind die Akten unter Verschluss. Das hat das Nobel-Institut wohl auch so beschlossen, um spätere Debatten zu vermeiden. Anhand der Akten wird deutlich, wie kompliziert der Weg bis zum Preisträger ist. Es gibt mehrere Stufen: Als erstes werden Vorschläge gesammelt, zum Beispiel von bestimmten Universitäten auf der Welt oder ehemaligen Preisträgern. Dann entscheidet ein fünfköpfiges Team - das Nobel-Komitee - wer ernsthaft geprüft wird.
Der Nobelpreis ist auch ungerecht
Über diese Personen wird dann ein Gutachten erstellt. Das Nobel-Komitee legt sich dann auf maximal drei Kandidaten fest. Die werden als Vorschlag an die Nobelversammlung gegeben, die schließlich das letzte Wort hat. Auf diesem langen Weg kann es schon mal ungerecht zugehen - das zeigen die Arbeiten von Nils, der zurzeit am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin an der Uni Düsseldorf arbeitet.
"Schweden sind überrepräsentiert. Das waren früher alles Stockholmer Ärzte. Da waren die Wege eben kurz."
Bis heute besteht die Nobelversammlung für den Medizin-Nobelpreis aus 50 Professorinnen und Professoren vom Karolinska Institut, der königlich-medizinischen Universität in der Nähe von Stockholm. Alfred Nobel hat in seinem Testament festgelegt, dass diese Einrichtung den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin vergeben soll. Und zwar unter zwei Gesichtspunkten:
- Der Preis soll an diejenigen gehen, die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben.
- Es soll sich um eine bedeutende Entdeckung oder Erfindung handeln.
Diese beiden Kriterien werden zumindest in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder sehr streng ausgelegt.
In Eine Stunde Talk erzählt Nils von den Tabus der Medizin-Geschichte, von ignorierten Genies und warum manchmal der Falsche den Medizin-Nobelpreis erhalten hat.