Ein Jahr nach HanauWie sich das Leben nach dem Anschlag anfühlt

Der rassistisch motivierte Anschlag in Hanau ist jetzt ein Jahr her. In dieser Ab 21-Folge erzählen ein Angehöriger und eine von Rassismus betroffene Journalistin, was der 19. Februar 2020 mit ihrem Leben gemacht hat. Außerdem erfahren wir, welche Unterstützung Betroffene des Anschlags nach wie vor brauchen.

Bei dem rassistischen Anschlag in Hanau am 19. Februar 2020 ermordete ein 43-jähriger Deutscher gezielt neun Menschen: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Anschließend erschoss der Täter seine Mutter und sich selbst. Vor der Tat hatte der Mann Pamphlete mit Verschwörungserzählungen und rassistischen Ansichten im Internet veröffentlicht.

"Für mich ist es teilweise sehr schwer. Es macht mich traurig, hier zu leben."
Mirkan Unvar, Bruder des getöteten Ferhat Unvar

Wenn Mirkan Unvar sich an seinen ermordeten Bruder Ferhat erinnert, dann müsse er "lachen und weinen". Denn sein Bruder habe jeden Menschen zum Lachen gebracht. Gleichzeitig verspüre Mirkan aber auch "eine gewisse Wut in sich". Wut, weil die Angehörigen ein Jahr später noch nicht vollständig über die Tat aufgeklärt seien, Wut, weil sie immer nur leere Versprechungen bekämen und Wut, weil Betroffene alles selbst machen müssten. Im Podcast erzählt er, wie sich sein Leben ein Jahr nach dem rassistisch motivierten Anschlag anfühlt und warum es ihn traurig macht, in Hanau zu leben.

Wie Hanau das Vertrauen genommen hat

Eine Stelle, an die sich Betroffene des Anschlags von Hanau wenden können, ist die Beratungsstelle Response. In ganz Hessen unterstützt sie Menschen, die von rechtsextremer, rassistischer, antisemitischer, antimuslimischer oder antiziganistischer Gewalt betroffen sind. Liisa Pärssinen ist die Leiterin der Beratungsstelle und sagt, dass die Menschen "in sehr vielen, sehr unterschiedlichen Themen", wie etwa der Einordnung von Traumata, aber auch dem Beantragen von finanziellen Leistungen, Unterstützung bräuchten.

"Ich habe durch den Anschlag zum ersten Mal gespürt, dass ich kein Vertrauen mehr für dieses Land übrig habe und das hat mich sehr erschüttert."
Journalistin Lin Hierse über den Anschlag in Hanau

Die Journalistin Lin Hierse sagt, für sie persönlich sei der rassistisch motivierte Anschlag in Hanau "ganz, ganz bezeichnend" gewesen. Er habe ihr das Vertrauen in Deutschland genommen. Ein halbes Jahr nach dem Anschlag schrieb sie einen Text, in dem es darum geht, wie sich der Anschlag auf ihr Sicherheitsgefühl ausgewirkt hat – und das hat sich seither nicht verändert.

Lass dir helfen!

Bestimmte Dinge beschäftigen dich im Moment sehr? Du hast das Gefühl, in einer ausweglosen Situation zu stecken? Wenn du dir im Familien- und Freundeskreis keine Hilfe suchen kannst oder möchtest, findest du hier einige anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:

  • Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichst du rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen du über deine Sorgen und Ängste sprechen kannst. Auch ein Gespräch via Chat oder E-Mail ist möglich.
  • Kinder- und Jugendtelefon: Der Verein "Nummer gegen Kummer" kümmert sich vor allem um Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter der Rufnummer 116 111.
  • Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Bei MuTeS arbeiten qualifizierte Muslime ehrenamtlich. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch.
  • Hier findest du eine Übersicht von Telefon- und Online-Beratungen in Deutschland: suizidprophylaxe.de.

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