Giulia Enders über das Eigenbrauer-SyndromDarm im Rausch
Besoffen ohne Alkohol zu trinken? Das geht, aber es ist alles andere als lustig. Denn wer am Eigenbrauer-Syndrom leidet, hat auch einen Dauerkater.
Manche Menschen haben Alkohol im Blut, ohne dass sie etwas getrunken haben, erklärt Darm-Expertin Giulia Enders, die mit ihrem Buch "Darm mit Charme" bekannt geworden ist. Dieses Phänomen wird das Eigenbrauer-Syndrom genannt, bei dem im Darm Alkohol von Hefen produziert wird. Die Hefen entstehen durch sehr kohlenhydrathaltiges Essen oder Getränke. Der Gärprozess funktioniert wie im Bierbraukessel, nur dass es sich um den Darm handele. Hefen neigen dazu, Alkohol zu produzieren, um Mikroben in ihrer Umgebung abzutöten. Die Hefen können selbst den Alkohol wieder zu etwas anderem "zurückverstoffwechseln" und haben dadurch einen Überlebensvorteil.
"Eigentlich ist nur diese theoretische Möglichkeit das Interessante und Spannende, dass irgendein Mikrobium in unserem Darm sitzt und irgendwas herstellt, was uns plötzlich betrunken machen kann."
Die Krankheit tritt sehr selten auf. Bislang gibt es nur einzelne Fallbeschreibungen, sagt Giulia. Daher ist die Krankheit noch wenig erforscht. Meist trete sie auf, wenn der Darm sowieso schon in irgendeiner Form geschädigt ist wie nach einer Antibiotika-Behandlungen, weil die Bakterien, die sonst im Darm angesiedelt sind, durch die Behandlung verschwunden sind. Wenn dann jemand nach einer starken Antibiotikum-Behandlung ein Bier trinke, entstehe die Möglichkeit, dass sich etwas anderes besser ansiedeln könne, beschreibt Giulia den Vorgang. Normalerweise schütze unsere Darmflora uns davor, dass sich nicht irgendwelche schädlichen Bakterien breit machen könnten. Vorbeugen könnte man beispielsweise mit probiotischen Medikamenten.
Umstrittene Krankheit
Die Krankheit sei sehr umstritten unter Wissenschaftlern, sagt Giulia. Es werde sogar darüber gestritten, ob es sich überhaupt um eine Krankheit handele. Beispielsweise kann auch eine bestimmte Gen-Kombination, wie sie bei Asiaten vorkommt, dazu führen, dass die Leber weniger gut Alkohol abbauen kann. Dann können auch schon wenige "Alkohol-Hefen" dazu führe, dass sich der Betroffene betrunken fühlt. Das Eigenbrauer-Syndrom liegt dann aber nicht vor.
Weil Hefen keine Bakterien sind, wirkt deshalb auch Antibiotika nicht gegen das Eigenbrauer-Syndrom. Manche Ärzte haben ihren Patienten gegen die Symptome des Eigenbrauer-Syndroms Pilze verabreicht, erzählt Giulia. Diese würden die Wand der Hefen destabilisieren, wodurch sie sich nicht mehr vermehren und ansiedeln könnten, bis sie schließlich kaputt gingen. Gleichzeitig sollten die Patienten dann auch auf Kohlenhydrate und Zucker in der Nahrung verzichten.
Mehr über das Eigenbrauer-Syndrom
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