Tabuthema DrogenkonsumEx-Junky: Das kriminalisieren von Drogenabhängigen hilft niemandem
In Kanada soll Drogenabhängigen anstatt von Haft- oder Geldstrafen psychotherapeutische Behandlungen verordnet werden. Der Suchtberater und ehemalige Drogenabhängige Sebastian Caspar findet das sehr gut: Das zeige, dass ein gesellschaftliches Problem endlich akzeptiert uns gelöst werden wolle.
Sebastian Caspar ist sich sicher: Hätte man damals wertfrei über das Thema Drogenabhänigkeit gesprochen und hätte er mehr gesellschaftliche Akzeptanz erfahren, hätte ihm das damals während seiner eigenen Abhängigkeit geholfen. Heute ist Sebastian Caspar Suchtberater und hat über seine Crystal-Meth-Abhängigkeit ein Buch geschrieben.
"Es hätte mir sicher geholfen, wenn man wertfrei über dieses Thema geredet hätte."
Den Ansatz der kanadischen Regierung, weg von Strafen und hin zu Hilfsangeboten zu gehen, findet er gut und wichtig. Denn ein gesellschaftliches System, in dem Drogenabhängige kriminalisiert würden, habe seiner Meinung nach keinerlei Nachhaltigkeit. Die neue Drogenpolitik von Kanada zeige, dass ein gesellschaftliches Problem endlich akzeptiert werde.
"Wenn Kanada das jetzt so angeht: Therapie statt Strafe, zeigt das natürlich, dass es eine Akzeptanz eines gesellschaftlichen Problems ist."
Jeder Mensch hat individuelle Gründe für seine Sucht
Einen pauschalen Lösungsweg, wie man Menschen aus der Sucht helfen kann, gibt es nicht, sagt Sebastian Caspar. Denn jeder Mensch hätte seine individuellen Gründe, warum er oder sie konsumiere.
"Jeder Süchtige und jede Süchtige hat ja bewusste und unterbewusste Gründe, warum er oder sie konsmuiert."
Deshalb werde in einer guten Therapie immer zunächst eine Entgiftung gemacht und dann schaue man psychotherapeutisch nach, was die Trigger für den Substanzmissbrauch seien, erklärt Sebastian Caspar.
Risikofaktor: Wartezeit auf Therapieplätze
Der positive Nebeneffekt der neuen Drogenpolitik, so Sebastian Caspar, sei natürlich vor allem, dass Kanada nun mehr Therapieplätze schaffen müsse und viel Geld von Strafverfolgungsbehörden auf sozialpädagogische und therapeutische Einrichtungen umverlagern werde.
In Deutschland sei es häufig so, dass sich Abhängige aus eigener Kraft und Motivation heraus für die Bekämpfung ihrer Sucht entscheiden und dann aber daran scheitern, dass sie keinen Therapieplatz bekommen und in der Wartezeit wieder abrutschen, sagt Sebastian Caspar.
"Wenn wirklich harte Abhängige so weit sind zu sagen: 'Ich will es jetzt schaffen!' – dann scheitern sie letztendlich an den langen Wartezeiten auf Therapieplätze."
Seiner Meinung nach sei in Deutschland die Drogenpolitik der letzten 50 Jahre gescheitert. Weder Strafgesetzbücher noch der Druck auf Konsumenten und Konsumentinnen habe bisher viel gebracht.
Doch in Einzelfällen gebe es auch bei uns in Deutschland schon Therapie-Angebote. Beispielsweise, wenn es vor Gericht um einen Drogenkonsumenten geht, der durch Beschaffungskriminalität straffällig geworden ist. Er könne sich dann aussuchen, ob er eine Therapie in Anspruch nehme oder eine Haftstrafe antrete, erklärt Sebastian Caspar.
"Eine Therapie ist ein Angebot"
Allerdings: Auch eine Therapie ist immer nur ein Angebot, sagt Sebastian Caspar. Und ohne den eigenen Willen und inneren Antrieb könne es niemand schaffen, aus der Sucht herauszukommen. Den gesellschaftlichen Ansatz Kanadas, das Thema zu enttabuisieren und zu akzeptieren, führt seiner Meinung nach aber auf jeden Fall in die richtige Richtung.