Modell-ProjektOffizielles Drug-Checking beim Fusion-Festival
Beim Drug-Checking können Leute an offiziellen Teststellen ihre Drogen analysieren lassen. Im kleinen Rahmen gibt es das etwa in Clubs schon länger. Jetzt wurde das Ganze zum ersten Mal groß angelegt durchgeführt – für Festivalgäste in Mecklenburg-Vorpommern. So soll der Konsum sicherer werden.
Das Fusion-Festival in Lärz 2024: Rund 85.000 Menschen auf 450 Hektar, 32 Bühnen und überall Musik, Theater, Akrobatik oder Comedy. Dazwischen ein kleines Häuschen mit mehreren Mitarbeitern, vorrangig Medizinstudierende. Ihre Aufgabe: Drug-Checking. Festivalgäste können dort ihre Drogen untersuchen lassen.
Als erstes füllen sie einen Fragebogen aus. Abgefragt wird Geschlecht und Alter, wie oft konsumiert wird und wo die Pille gekauft wurde – etwa im Internet, Darknet, bei Freunden oder bei Fremden. Namen und Adressen müssen nicht angegeben werden, denn der Test ist anonym.
Überblick über Drogen, die im Umlauf sind
Organisiert hat die Tests die Uni Rostock, die jahrelang darauf hingearbeitet hat. Vorreiter ist dort der Notfallmediziner Gernot Rücker. Seit Jahren regt er an, solche Drug-Checks durchzuführen. Mit der Freigabe der Bundesregierung im vergangenen Jahr hat er ein wissenschaftliches Projekt daraus gemacht.
Erforscht werden soll etwa, wer die Nutzerinnen und Nutzer sind und welche Drogen konsumiert werden. Der Mediziner ist auch seit vielen Jahren jedes Jahr als leitender Notarzt auf der Fusion.
"Wir müssen einfach Transparenz in die ganze Sache bringen und müssen feststellen, was im Umlauf ist, wie viel im Umlauf ist und was gefährlich ist."
Es geht für Gernot Rücker in erster Linie darum aufzuklären und zu sensibilisieren. Und auch an die Eigenverantwortung der Konsumenten zu appellieren, sorgsam mit Partydrogen umzugehen.
Drug-Checking ist nicht neu. ln Berlin beispielsweise haben sich drei Vereine zusammengeschlossen, um solche Tests anzubieten. Allerdings sind Mitarbeiter von Vereinen kein medizinisches Personal und haben selbst nicht die Möglichkeit, Drogen zu testen. Stattdessen werden sie dort abgegeben und in die Gerichtsmedizin geschickt – dort werden sie überprüft. Das dauert in der Regel drei Tage.
Mobiles Labor: Drogen in kurzer Zeit analysiert
Beim Fusion-Festival steht ein mobiles Labor. Dort sitzen ausgebildete Toxikologen, die die Pillen mit modernster Technik innerhalb weniger Sekunden auswerten. Eine Mitarbeiterin ist Antje Gummesson. Sie erklärt, dass die abgegebenen Pillen zunächst gemessen, gewogen und zerstoßen werden: "Und dann kommen die ziemlich zeitnah auf unser Gerät. Das ist ein Infrarotspektrometer – und das gibt uns innerhalb von wenigen Sekunden zuverlässig Ergebnis raus, was da drin ist und auch eine Idee davon, wie viel da drin ist."
"Wir können anhand der Ergebnisse den Konsumenten und die Konsumentinnen warnen."
Es stehen auch Drogenexperten bereit, um Gespräche zu führen und aufzuklären. Die Pille gibt es aber nicht zurück – sie wird vernichtet.
Gefährliche Pillen werden aus dem Verkehr gezogen
Die Pillen werden vor der Analyse fotografiert. Stellen die Toxikologen eine Überdosierung fest – etwa mit MDMA – geht sofort eine Warnmeldung für alle Festivalbesucher raus. In Zukunft soll es dann auch – wie in anderen Ländern – eine Internetseite geben, auf der vor verunreinigten oder zu hoch dosierten Pillen gewarnt wird.
Forschende sagen, das große Problem sei, dass keiner weiß, wo und wie die Pillen hergestellt werden. Sie sind verboten und werden etwa in Kellern, Garagen, im Ausland oder sogar in Wohnzimmern hergestellt. Was drin ist, wissen nur die Hersteller. Oft seien beispielsweise auch Füllstoffe enthalten, die am Ende krank machen.
"Die Teststellen beim Fusion-Festival sind förmlich überrannt worden."
Bereits zu Beginn des Festivals wurden 300 Pillen getestet. Damit kam auch das Labor an seine Grenzen. Zwischenzeitlich musste die Annahme der Pillen gestoppt werden, damit das Labor in Ruhe abarbeiten konnte. Es wurden auch tatsächlich Pillen gefunden, die schädliche, krank machende Substanzen enthielten. Diese Information wurde dann über soziale Netzwerke und Aushänge verbreitet.
lnsgesamt wurden laut Gernot Rücker auf der Fusion 158 verschiedene Pillensorten getestet. Zehn davon seien im hochgiftigen Bereich gewesen.