DoomscrollingWarum unser Gehirn auf schlechte Nachrichten steht
Beim Scrollen durch unsere Feeds kann es passieren, dass wir ziellos von einem Post zum nächsten klicken. Ein Teufelskreis. Besonders wenn es um schlechte Nachrichten geht, kann es schwerfallen, das Handy wegzulegen. Fachleute sprechen dann von Doomscrolling.
Unser Gehirn hat einen Hang zu endlosem Konsum von schlechten Nachrichten, dem sogenannten Doomscrolling. Dabei verarbeitet unser Gehirn negative Informationen nicht nur schneller, sie bleiben auch länger im Kopf, erklärt Neurowissenschaftlerin Maren Urner.
Doomscrollling als Überlebensmechanismus
Dieser Mechanismus unseres Gehirns ist sinnvoll, denn er schützt uns – vereinfacht gesagt –, davor zu sterben. Herausgebildet hat er sich bereits in der Steinzeit. Seitdem hat sich daran in unserem Hirn nicht viel verändert.
Hören wir eine schlechte Nachricht, verschafft uns das einen Überlebensvorteil. Wir werden so vor einer möglichen Gefahr gewarnt. Verkürzt gesagt: War früher ein Säbelzahntiger die Gefahr, ist es aktuell das Coronavirus.
"Unser Gehirn hat erst mal einfach nur den Zweck, unseren Körper am Leben zu halten. Eine verpasste negative Nachricht konnte potenziell das Ende des Lebens bedeuten."
Damit der Mechanismus einsetzt, sollte es sich um eine Bedrohung handeln, die möglichst nah an unserer Lebenswelt ist, so die Neurowissenschaftlerin. Für einige war das Coronavirus zum Beispiel greifbarer oder besser einschätzbar, als sie von den ersten Fällen aus ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis gehört haben. Plötzlich wurde das Virus für sie real, weil es sie selbst betroffen hat.
Neue Gewohnheiten schaffen
Den Mechanismus, Negatives schneller zu verarbeiten, können wir auch nicht ablegen, sagt Maren Urner. Was aber möglich sei, ist, Gewohnheiten einzubauen, die unseren Fokus vom Negativen auf das Positive ausrichten. Ist das Ziel beispielsweise weniger Zeit am Handy zu verbringen, empfiehlt die Neurowissenschaftlerin, sich zu fragen, wie wir die Zeit lieber nutzen würden.
Damit daraus eine neue Gewohnheit wird, sollten wir es uns möglichst einfach machen und etwas finden, das für uns ein Gewinn statt ein Verzicht ist. Weniger Zeit am Handy könnte zum Beispiel mehr Zeit für einen Spaziergang oder etwas Leckeres zu Essen bedeuten.
"Das hat nichts mit sich selber austricksen zu tun, sondern eher mit: Wie machst du es dir besonders einfach? Das Hirn ist faul, weil Energiesparen auch ein Überlebensmechanismus ist."
Denkbar wäre laut Maren Urner auch, für Ausgewogenheit zu sorgen und etwa nach einer halben Stunde Doomscrolling bewusst nur positive Beiträge anzuklicken – das könnten auch Katzenvideos sein. Oder eben grundsätzlich nur Seiten abonnieren, die einem in dem weiterhelfen, was man erreichen möchte.
Medien in der Verantwortung
Maren Urner sieht die Medien auch in der Verantwortung. Sie könnten mit Konstruktivem Journalismus dazu beitragen, dass es zu weniger Doomscrolling kommt. Dabei geht es um eine Berichterstattung, in der eine Situation nicht nur abgebildet, sondern darüber hinaus aufgezeigt wird, wie es weitergehen könnte oder mögliche Lösung aussehen würde.
Dafür brauche es mehr Journalistinnen und Journalisten, die ihre Verantwortung dahingehend wahrnehmen. Der Wandel hin zu einem konstruktiven Standpunkt sei in den letzten Jahren in einigen Redaktionen schon spürbar.