Polizisten mit MigrationshintergrundDiversität bei der Polizei: "Verschiedenheit der Ähnlichen"
Nach dem Tod von George Floyd wird auch in Deutschland über strukturellen Rassismus bei der Polizei diskutiert. Dabei geht es nicht darum zu sagen, die Polizei als Ganzes sei rassistisch. Es geht darum, genauer hinzuschauen: Wie divers ist die Polizei eigentlich? Und wie sehr bildet sie unsere Gesellschaft ab? Rafael Behr forscht dazu.
Bei der Polizei in Deutschland gelte der Grundsatz, alle gleich zu behandeln, sagt Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei in Hamburg.
"Es ist eine Verschiedenheit der Ähnlichen. Weil wir richtige Diversität gar nicht praktizieren in der Polizei, sondern es besteht der allgemeine Grundsatz: Alle werden gleich behandelt."
Gemäß dieses Grundsatzes würden auch Migrantinnen und Migranten bzw. Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund eingestellt, sagt Rafael Behr. Seiner Erfahrung nach würde die Kategorie "Fremdheit" immer mehr verblassen – und dementsprechend auch die Unterschiede zu den "biodeutschen Kollegen", wie er sie nennt.
"Fremdheit verblasst immer mehr"
Verschiedenheit lasse sich zum einen als Unterschiedlichkeit äußerer Merkmale abbilden, zum anderen auch als Unterschiedlichkeit bestimmter Lebensweisen und -entwürfe. So sei beispielsweise eine Behinderung eine völlig andere Kategorie als etwa eine sexuelle Präferenz, so Rafael Behr. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte hätten viele Gemeinsamkeiten: Sie seien zum Beispiel alle gesund, hätten Bildungszertifikate und Deutschkenntnisse.
In der Regel seien die Bewerberinnen und Bewerber, die jetzt zur Polizei dazustoßen, alle in Deutschland geboren. Es sei bereits die dritte Generation der damaligen Gastarbeiter, die nach Deutschland kamen. Diese Generation sei "relativ gut integriert in die deutsche Gesellschaft", so dass die Besonderheit des Migrationshintergrunds immer mehr in den Hintergrund trete.
Jede fünfte erfolgreiche Polizeibewerbung von Person mit Migrationshintergrund
Doch wie viele Polizistinnen und Polizisten mit Migrationshintergrund gibt es denn nun tatsächlich bei der Polizei? Zahlen gebe es hier nur für die Einstellungsphase, sagt Rafael Behr – also für diejenigen, die sich bei der Polizei bewerben und dann auch für die Ausbildung angenommen werden. In den alten Bundesländern komme etwa jede fünfte erfolgreiche Polizei-Bewerbung von einer Person mit Migrationshintergrund.
"Bei den Polizei-Bewerbungen von Personen mit Migrationshintergrund sind wir in den alten Bundesländern - zumindest nahezu - über 20 Prozent angekommen. In den großen Metropolregionen sind 25 Prozent keine Seltenheit."
Wie viele dieser Personen dann später auch tatsächlich bei der Polizei arbeiten, sei allerdings nicht bekannt – das werde nämlich nicht mehr gezählt. "Das müsste man anders berechnen", findet Rafael Behr. Auf jeden Fall sei der Anteil von Migrantinnen und Migranten nicht so hoch wie einst der Anteil von Frauen in der Polizei, der signifikant Jahr um Jahr gestiegen sei.
"Wunsch, dass sich das Personal der Polizei stärker divers zeigt"
Bei der Suche nach Bewerberinnen und Bewerbern geht die Polizei zunehmend aktiv auf Menschen mit Migrationshintergrund zu, sagt Rafael Behr. In den Ausschreibungen werde das zum Beispiel "durchaus offensiv" gemacht. Auf Affirmative Action, also "positive Diskriminierung", werde allerdings verzichtet: Bestimmte Gruppen würden nicht bevorzugt behandelt.
"Bewerberinnen und Bewerber mit Migrationshintergrund werden nicht bevorzugt eingestellt. In den Ausschreibungen wird aber durchaus offensiv darauf hingewiesen, dass man sich wünscht, dass sich das Personal der Polizei stärker divers zeigt."
Die Maßnahmen zeigten auch tatsächlich einen Effekt, sagt Rafael Behr. Es sei festzustellen, dass sich zunehmend mehr Menschen mit Migrationshintergrund bei der Polizei bewerben. Bei der Frage der Bildungszertifikate und der Sprachkompetenz gebe es allerdings nach wie vor noch Grenzen bzw. Hürden.
"Subtile Formen von Ausgrenzung"
Die Ausbildung und den Dienst bei der Polizei nähmen die Menschen mit Migrationshintergrund überwiegend positiv wahr, sagt Rafael Behr.
"Generell sagen uns alle Interviewpartner in unseren Forschungen, dass sie sich gut integriert fühlen. Wenn wir dann näher nachfragen, kommen wir dahinter, dass es subtile Formen von Ausgrenzung gibt."
Subtile Formen von Ausgrenzung seien etwa bestimmte Witze, Bemerkungen oder Unachtsamkeiten – wenn etwa der Kollege im Streifenwagen von zwei "Ölaugen" spricht, die man sich mal anschauen müsse. Das ist ein rassistischer Begriff, der in der Regel für türkische Jugendliche verwendet wird, erklärt Rafael Behr. Der Kollege bemerke quasi gar nicht, dass er da einen rassistischen Spruch von sich gibt und hat dabei möglicherweise einen Praktikanten im Auto sitzen, der selbst einen türkischen Migrationshintergrund hat.
Noch mehr zu diesem Thema erfahrt ihr, wenn ihr euch das ganze Gespräch mit Rafael Behr anhört.