Radikalisierung vorbeugenDigitale Streetworker kämpfen gegen Fremdenfeindlichkeit im Netz
Das Team der digitalen Streetworker will verhindern, dass sich Menschen im Netz radikalisieren. In welche Richtung auch immer: Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Rechtsradikalismus oder Gender- und Antifeminismus. Erreichen können sie aber nur Menschen, die in ihrer Haltung noch nicht gefestigt sind.
Ob es ein Kampf gegen Windmühlen ist? Da ist sich Cornelia Heyken nicht so sicher. User, die Gefahr laufen sich zu radikalisieren, im Netz aufzuspüren, zu erreichen und mit ihnen im Gespräch zu bleiben, ist auf jeden Fall sehr aufwendig, sagt sie. Das habe die erste Testphase auf Facebook gezeigt.
Mehr Erfolg, wenn Plattform mitarbeitet
Etwas effizienter laufe es bei Netzwerken wie gutefrage.net. Da hat das pädagogische Fachpersonal der Amadeu Antonio Stiftung bessere Erfahrungen gemacht, auch weil die Betreiber der Plattform mitmachen und unterstützend eingreifen.
Die Stiftung hat das Ziel, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Das Projekt "Debate Dehate" ist ein Teil davon - und auf verschiedenen Plattformen der sozialen Medien aktiv.
Die digitalen Streetworker wissen, dass die sozialen Medien für junge Menschen zu einem Raum geworden sind, in dem sie sich eine Meinung bilden - auch eine politische. Ihre Arbeit besteht darin, präventiv einzugreifen, wenn sie Postings oder Kommentare entdecken, die diskriminierend oder vorverurteilend sind. Das passiert über direkte Ansprache, sagt Cornelia Heyken.
"Wir sagen direkt, woher wir kommen und sind auch über unser Profil klar erkennbar."
Cornelia Heykens Team wendet sich gezielt an Menschen, die mit einem Dialog noch erreicht werden können. Das sind Menschen, die zum Beispiel Unterstützung brauchen oder die erste Tendenzen zu rechten Strukturen zeigen. Unerreichbar sind Menschen, die ein geschlossenes Weltbild haben, sagt Cornelia Heyken. Dafür seien Ausstiegsprogramme besser geeignet.
Drohende Radikalisierung lässt sich im Netz nur über Dialog stoppen
Im Gegensatz zu Streetworkern auf der Straße, die genau wissen, wo die Brennpunkte sind und das Klientel sich aufhält, ist es für die digitalen Streetworker vom Debate-Dehate-Projekt schwieriger, an die Menschen heranzukommen. Vorwiegend schauen sie sich die Kommentarspalten auf Facebook und Threads auf gutefrage.net an. Die Erfahrung zeige, so Cornelia Heyken, dass es im Netz sehr schwer ist zu erkennnen, wie kurz die User tatsächlich vor einer Radikalisierung stehen. Dazu sei Dialog nötig.
"Bestenfalls entsteht ein Austausch. Manchmal antworten die User aber auch nicht mehr, sobald sie erfahren, von welchem Projekt wir kommen. Oder sie beschimpfen uns sogar."
Die Strategie ist, nicht belehrend aufzutreten, sondern oft reiche es schon aus, Dinge zu hinterfragen. Cornelia Heyken berichtet von einem positiven Beispiel: Ein User habe auf Facebook ein Video geteilt, das vermeintliche Geflüchtete zeige, die in einem Park Müll hinterließen. Mit diesem User haben sich die digitalen Streetworker austauschen können. Schließlich hat sich herausgestellt, dass das Video von einem NPD-Funktionär aus dem Zusammenhang gerissen verbreitet wurde. Damit ist auch der User nicht einverstanden.
"Das hat ihn dann zum Nachdenken angeregt und er hat gesagt, dass er beim nächsten Mal die Quelle besser checken will."
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