Deutschland ohne neue RegierungWas die "Noch-Merkel-noch-nicht-Scholz-Phase" bedeutet
Eine neue Regierung hat Deutschland noch nicht. Und die bisherigen Bundesminister*innen sind nur noch geschäftsführend im Amt. Politikwissenschaftlerin Julia Schwanholz erklärt, welchen Handlungsspielraum die Politik zurzeit hat.
Politisch ist Deutschland gerade in der Schwebe: Seit der Bundestagswahl im September gibt es zwar neue Mehrheitsverhältnisse im Bundestag. Eine neue Regierung aber noch nicht. Deswegen sind noch die bisherigen Minister*innen und die Kanzlerin kommissarisch im Amt. Das Problem: Sie haben keine Mehrheit mehr im Parlament.
Die Pandemie schert sich nicht um Koalitionsverhandlungen
Im Prinzip sei das alle vier Jahre, also nach jeder Bundestagswahl, so, erklärt Politikwissenschaftlerin Julia Schwanholz. Es dauere eben, bis sich Koalitionen neu zusammentun. In diesem Jahr gebe es jedoch einen entscheidenden Unterschied, die Unsicherheit verbreite - die Pandemie.
"Die pandemische Lage verbreitet Unruhe. Jetzt wird besonders deutlich, dass wir ganz schnell eine neue handlungsfähige Regierung benötigen."
Das Parlament bringt sich langsam in Stellung
Jenes Gefühl der Unruhe ist wohl auch endlich bei den Gewählten in Berlin angekommen. Am Donnerstag (11.11.2021) ging es im Bundestag heiß her. Man sehe, dass die mögliche Ampel schon wie eine Regierungskoalition agiere, sagt Julia Schwanholz. Damit meint sie die angekündigten Corona-Maßnahmen, die ab Ende November gelten sollen, wenn die pandemische Lage nationaler Tragweite ausgelaufen ist. CDU/CSU kritisieren die Maßnahmen heftig, scheinen sich also in Oppositionsstimmung zu bringen.
Kommunikation mit Bürger*innen wichtiger denn je
Dass das passiert, sei auch wichtig, so die Politikwissenschaftlerin. Denn die Menschen müssten wissen, wer für politische Entscheidungen verantwortlich ist, um sie nachträglich beurteilen zu können. Darin bestünden schließlich die Rechte und Pflichten der Wählerinnen und Wähler.
"Nebulöse Verantwortlichkeiten gehen immer zulasten des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger. Wer entscheidet, muss dafür als Parteikollektiv oder als Person im Amt individuell verantwortlich gemacht werden können."
Genau das sei in der Noch-Merkel-noch-nicht-Scholz-Phase schwer möglich. Julia Schwanholz plädiert daher für eine klare Kommunikation zwischen Politiker*innen und Bürger*innen. Die Debatte im Bundestag war dafür vielleicht ein Anfang.