#DerAndereOstenGegen das Nazi-Image
Ganz Deutschland schaut auf den Osten und fragt sich: Was ist da los? Leben dort nur noch Nazis? Die Antwort lautet natürlich: Nein! Aber der Osten hat tatsächlich ein Imageproblem.
Ostdeutschland hat ein Problem. Eigentlich ganz Deutschland muss man ehrlicherweise sagen. Aber, wer bei Ostdeutschland als erstes an Nazis denkt, der bestätigt aus Sicht des Bloggers und politischen Aktivisten Stefan Krabbes, dass die Rechten dort viel zu laut sind und dadurch ein falsches Bild entsteht.
Krabbes lebt in Halle (Sachsen-Anhalt) und sagt: "Natürlich hat der Osten mehr noch als der Westen ein Problem mit Rechtsextremismus, und da gibt es auch nichts zu beschönigen. Den muss man bekämpfen. Aber gleichzeitig müssen die stillen Helden im Osten lauter werden und ihre Geschichte erzählen." Um diesen Geschichten mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, hat er den Hashtag #DerAndereOsten ins Leben gerufen. Verbunden mit dem Aufruf, eine andere Seite, über die wenig oder gar nicht berichtet wird, zu zeigen.
Der andere Osten – das sind Tweets über Nachbarschaftshilfe, gelungene Integration, Liebe zur Demokratie, aber auch über weniger gehörte Helden des Alltags. Die Mehrheit der Menschen seien "der andere Osten", sagt Krabbes.
"Vielleicht müssen die Leute mehr zeigen: Hey, ich bin Demokrat und lasse mir nicht gefallen, dass die Rechten dem Osten einen Ruf verpassen, den er weiß Gott nicht verdient hat."
Krabbes sagt, nur wenn wir über unseren Medientellerrand hinaus schauen, stoßen wir auf Geschichten, die es nicht in die Nachrichten schaffen, dann sehen wir Menschen, die auf ihre Weise Pfeiler unserer gesamtdeutschen Zivilgesellschaft sind.
Nur: Die sieht man wenig in den Medien. Das Thema "Migration" dagegen scheint omnipräsent. Von den wirklichen Problemen der Menschen in Ostdeutschland wie unterfinanzierte Kommunen, Arbeitslosigkeit oder Strukturabbau im ländlichen Raum führt das ganz weit weg.
Die Mobilisierung von Rechtsextremen hängt mit ihrer Darstellung in den Medien zusammen
Andersherum könnte man natürlich sagen: Das hat sein Gutes, wenn wir viel über Nazis reden, denn sonst könnte der Eindruck entstehen, wir würden den Rechtsradikalismus kleinreden. Tim Schulz schreibt für das Nachrichtenportal Endstation Rechts in Sachsen. Berichterstattung über Rechte. Er findet, die Sache ist zweischneidig. Er sagt: Die Mobilisierung von Rechtsextremen hängt sehr von der medialen Selbstdarstellung ab. Vor allem in den Massenmedien. "Da ist es natürlich praktisch, wenn man sein Gesicht in der Tagesschau platzieren kann", sagt Schulz, und es sei wichtig, wie differenziert man darüber berichte. Er ist der Meinung, dass die Berichterstattung sein muss. Aber genau wie Stefan Krabbes sagt er, der Fokus könnte auch auf anderen Menschen liegen.
"Selbst in der kleinsten sächsischen Stadt, die extrem verrufen ist, gibt es immer noch Aktive, die sich in irgendeiner Art dagegen engagieren. Die Frage ist nur: Hört man sich die Stimmen an?"
Chemnitz sei ein gutes Beispiel dafür, sagt Tim Schulz. Talkshows und die großen Formate hätten den Falschen zugehört. Politiker und Populisten haben geredet. Es seien kaum Chemnitzer zu Wort gekommen und erst recht keine Vertreter der demokratischen Zivilgesellschaft. Tim Schulz sagt, würde man sie anhören, würde man nicht nur eine andere Sicht bekommen, sondern den Menschen auch Mut machen und zeigen, dass man sich für sie interessiert.
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