Frühstück bei DRadio WissenDer Seitenwechsler
Einst war Samuel Meffire Vorzeigepolizist und Sachsens erster schwarzer Gesetzeshüter. Dann wechselt er die Seiten und wird wegen bewaffneten Überfalls zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Heute ist er als Schriftsteller tätig und verarbeitet in den Geschichten auch seine eigene Vergangenheit.
Sachsen. Anfang der 90er-Jahre. In einer Zeit, in der man Ausländerfeindlichkeit an jeder Straßenecke begegnete, braucht es eine gehörige Portion Mut und Selbstbewusstsein, um hier als schwarzer Polizist zu arbeiten. Als Samuel Meffire, der schon zu DDR-Zeiten Polizist werden wollte, mit seinem Dienst begann, kam es zu einem regelrechten Sturmlauf der Medien:
"Dieser Medienrun, das kann man heute nur noch nachvollziehen, wenn man den Kontext sieht. Das eine Land ist plattgemacht worden und in diesen noch rauchenden Trümmern ist halt vieles nicht so gelaufen, wie es hätte sein sollen. Und da hat sich eine sehr spezielle Form von Resignation und Wut ihren Weg gebahnt. Es war eine üble Zeit"
Damals schmeichelte es Samuel Meffire sehr, begehrtes Medienobjekt zu sein, als 22-jähriger Businessclass zu fliegen und in vier Sterne-Hotels zu wohnen. Heute weiß er, dass es ihn überfordert hat, er nicht damit umgehen konnte und dann sehr schnell die Bodenhaftung verlor. Meffire sei überaus empfänglich für Schmeichelei und Lob gewesen, bis dahin habe es nicht viel davon für ihn gegeben.
Verlieren, das kannte Samuel Meffire nicht
Bald schon kündigte Samuel Meffire seinen Polizeidienst frustriert. Mit Freunden und ehemaligen Kollegen gründete er einen Sicherheitsdienst. Körperlich absolut übertrainiert, betriebswirtschaftliche Doppelnullen, seien sie gewesen. Die Firma ging pleite, doch ein zurück zur Polizei und damit das Eingeständnis des eigenen Versagens, das kam für ihn damals nicht infrage.
"Dann haben wir gesagt, wir mache ein paar gangbare Inkassosachen. In großen Anführungszeichen. Das waren hardcore Nötigungen von Leuten, die anderen Leuten Geld schuldeten. Was wir da alles gemacht haben, das waren keine Kindereien mehr. Ganz klar, da war der Damm gebrochen“
Kurz darauf folgten die ersten, teilweise sehr heftigen und brutalen Überfälle. Als die Polizei in Deutschland ihm auf den Fersen war, floh Meffire in Richtung Südafrika und strandete für ein halbes Jahr im Kongo, wo Bürgerkrieg tobte. Schlimme Bilder, Grauen und Leid, die alle Grenzen dessen, was Samuel Meffire sich vorstellen konnte, weit übertrafen. Als er mehrfach schwer erkrankte, fand bei ihm ein Umdenken statt:
"Entweder kannst du hier im Kongo sterben und wie viele andere Leichen, die du hier im Kongo gesehen hast, als Müllbeilage am Straßenrand enden, oder du musst dich stellen. Es gab faktisch keinen anderen Weg da raus"
Zurück in Deutschland wurde Samuel Meffire zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er über sieben absitzen musste. Fast zwei Jahre davon in Einzelhaft. Heilsam sei es gewesen, wenngleich er kurz davor stand, in seine Einzelteile zu zerfallen, da er mit schweren psychischen Problemen zu kämpfen hatte:
"Es war schon so, dass von dem Samuel, den es vorher gab, nur noch Reste übrig waren"
Zu überleben, dabei hat ihm vor allem eine Leidenschaft geholfen, die er seit seiner Kindheit nie aufgegeben hat: das Schreiben. Nach einer Krimireihe, an der im Gefängnis arbeitete, schreibt Samuel Meffire gerade an einem Buch mit dem Titel Aurora. Inspiration für seine Geschichten sind auch seine eigenen Erlebnisse und Erfahrungen. Heute, sagt Meffire, habe er als glücklicher Vater eines zweieinhalb Jahre alten Mädchens mehr Frieden gefunden, als er jemals zu hoffen gewagt habe.