Journalismus in Saudi-ArabienJamal Khashoggi bleibt verschwunden
Der saudische Star-Journalist Jamal Khashoggi wurde wohl in der Türkei ermordet – vom Geheimdienst seines Landes. Wir haben mit Daniel Gerlach vom Magazin Zenith über den Fall und über das Regime in Saudi-Arabien gesprochen.
Am 2. Oktober 2018 ging der Journalist Jamal Khashoggi in das saudische Konsulat in Istanbul. Für seine bevorstehende Hochzeit brauchte er ein Dokument. Er kam nie wieder heraus. Die Türkei wirft Saudi Arabien vor, den Journalisten ermordet zu haben, auch seine Freunde und seine Verlobte fürchten das Schlimmste. Die türkische Polizei ermittelt, aber die saudische Seite behauptet, der Vermisste habe das Konsulat wieder verlassen. Für diese Behauptung gibt es keine Beweise.
Jamal Khashoggi war im September 2017 aus Saudi Arabien geflohen. Die Staatsform des Landes ist eine absolute Monarchie. Kashoggi war für seine kritische Haltung gegenüber dem saudischen Herrscher Mohammad bin Salman und dessen Politik bekannt. Auf Mohammad bin Salmans Machtantritt im Juni 2017 folgten Reformankündigungen, eine Verhaftungswelle und eine Eskalation der anhaltenden Katar-Krise. Jamal Khashoggi kritisierte auch die Luftangriffe der von Saudi-Arabien geführten Koalition im Yemen.
Wir haben mit dem Journalisten Daniel Gerlach über den Fall gesprochen. Er ist Chefredakteur des Magazins Zenith und Spezialist für den Nahen und Mittleren Osten.
"Das war wirklich Mister Saudi-Arabia, immer wenn internationale Medien etwas wissen wollten."
Die türkische Polizei geht davon aus, dass Jamal Khashoggi in dem Konsulat von einem aus Saudi-Arabien angereisten Kommando umgebracht worden ist. Zwar wies ein Vertreter des Konsulats die Vorwürfe umgehend zurück, doch bleibt Riad den Beweis schuldig, dass der 59-jährige Journalist das Konsulat jemals wieder verlassen hat.
Die Führung in Riad geht mit harter Hand gegen Oppositionelle vor, von einer freien Presse kann keine Rede sein. Doch die Ermordung eines Kritikers im eigenen Konsulat im Ausland wäre für Saudi-Arabien ohne Beispiel.
"Es ist extrem schwierig geworden, für Medien in Saudi-Arabien aber auch solche im Einflussbereich Saudi-Arabiens, sich kritisch zu äußern. Das wird nicht geduldet."
Jamal Khashoggi ist ein Veteran des saudi-arabischen Journalismus und hat in den vergangenen Jahrzehnten für zahlreiche Zeitungen gearbeitet. Zu Beginn seiner Karriere war der in Medina geborene Journalist islamistischen Ideen zugeneigt und interviewte mehrfach den späteren Al-Kaida-Führer Osama bin Laden in Afghanistan und im Sudan. Später wandte er sich liberaleren Ideen zu und kritisierte die strikte Lesart des Islam durch die Salafisten, was ihn in Konflikt mit dem religiösen Establishment in Saudi-Arabien brachte.
Ein gestopptes Senderprojekt
Im Auftrag des Milliardärs Prinz Al-Walid bin Talal baute Jamal Kashoggi 2015 einen neuen panarabischen Nachrichtensender namens Al-Arab in Bahrain auf, doch ließ das Emirat den Sender schließen, bevor er richtig auf Sendung ging. Der Prinz und Finanzier wurde im November 2017 zusammen mit dutzenden anderen Prinzen und Geschäftsleuten in Riad aufgrund von Korruptionsvorwürfen inhaftiert.
Da sich unter Mohammad bin Salman die Repressionen in Saudi-Arabien weiter verschärften und Jamal Khashoggi seine Arbeit bei der Zeitung Al-Hajat verlor, ging er im September 2017 aus Angst vor einer Festnahme in die USA. Er hatte die von Riad als Terrororganisation eingestufte Bewegung der Muslimbrüder verteidigt.
In den USA schrieb der regelmäßig für die Washington Post. Die Texte wurden in der Regel auch auf Arabisch veröffentlicht.
Härte gegen Kritiker
In einem seiner Beiträge schrieb Jamal Khashoggi im September 2017: Zwar gebühre Mohammad bin Salman Lob für den Beginn wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Reformen, doch erlaube er keinerlei öffentliche Beteiligung und keine Debatte über seine Politik. Wer diese kritisiere, den lasse er festnehmen oder verschwinden.
Daniel Gerlach sagt, dass die jüngsten gesellschaftlichen Reformen in Saudi-Arabien wirtschaftlichen Fragen untergeordnet sind. Eine tiefer greifende Liberalisierung sei in dem Land nicht zu beobachten.
"Dass man die wirtschaftlichen Ressourcen nutzen möchte, ist nicht unbedingt gleichbedeutend mit Liberalisierung. Das ist ein wirtschaftsliberaler Ansatz, aber ein totaler autoritärer Ansatz, was die Herrschaft angeht."
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