Demenz ParcourWie es sich anfühlt, dement zu sein
Wer dement ist, kann oft kleinste Herausforderungen nur schwer bestehen. Wer wissen möchte, wie frustrierend es ist, die Bluse kaum zuknöpfen oder eine Einkaufsliste nicht mehr schreiben zu können, kann das in einem Demenz-Parcour selbst erleben.
Anziehen, einkaufen, Auto fahren, mit Besteck essen, schlafen gehen - viele Dinge erledigen wir in unserem Alltag eher beiläufig, ohne, dass wir uns sehr darauf konzentrieren müssen. Ganz anders fühlen sich diese alltäglichen Aufgaben beispielsweise für unsere Großeltern an, wenn sie an Demenz erkrankt sind. Wer einen Ball fangen oder das Hemd zuknöpfen möchte und dabei bemerkt, dass beides immer mehr zu einer Herausforderung wird, ist schnell frustriert.
"Gerade wenn sie anfänglich erkrankt sind, ihnen es sehr bewusst ist, wo sie jetzt ihre Defizite haben, und dann die Angst, es könnte jemand merken - da wird ganz viel geschummelt."
Manche Demenzerkrankten versuchen sich die eigenen Defizite so lange wie möglich nicht anmerken zu lassen - tragen dann möglicherweise weniger Oberteile, die Knöpfe haben. So "schummeln" sie sich dann eine ganze Weile durch ihren Alltag, ohne dass Familie und Freunde etwas von der Einschränkung mitbekommen, sagt Katja Bunge Köpping vom Senioren- und Pflegestützpunkt in Oldenburg.
Demenz-Parcour für Pflegekräfte und Angehörige
Leon Maluck konnte schon während seiner Schulzeit und seinem Freiwilligen Sozialen Jahr nach dem Abitur Erfahrungen mit Demenzerkrankten sammeln. Er wollte, dass auch andere Menschen verstehen und nachvollziehen können, wie es sich anfühlt, dement zu sein. 2015 begann er damit, einen Parcour zu entwickeln, bei dem wir an 13 Stationen Alltagsaufgaben lösen müssen. Durch die Aufgabenstellung werden Symptome einer Demenz simuliert. Dieses Projekt heißt Hands-on Dementia. Die Stadt Oldenburg nutzt solch einen Parcour, um Pflegekräfte auszubilden oder für Interessierte, deren Angehörige an Demenz erkrankt sind.
"Meine Hand gehorcht mir nicht mehr, statt nach rechts, macht sie einen Strich nach links oder nach oben und scheint ein Eigenleben entwickelt zu haben. Am Ende schaffe ich es nur, weil ich schummle und mit geschlossenen Augen schreibe."
Unsere Autorin Felicitas Boeselager war in Oldenburg und hat den Parcour ausprobiert. Sie hat beispielsweise versucht, mit Bauarbeiterhandschuhen einen Kittel zuzuknöpfen und dabei bis 36 zu zählen. Nicht nur die Knöpfe bekam sie kaum zwischen die Finger, sie verzählte sich auch mehrfach. Eine scheinbar leichte Aufgabe, die sie nicht so einfach lösen konnte, wie sie sich das vorgestellt hatte. Das frustrierte unsere Autorin ziemlich. An einer anderen Station versuchte sie einen Einkaufszettel zu schreiben. Das Problem: Sie konnte ihre Hände und den Zettel nur durch einen Spiegel sehen. Plötzlich gelang es ihr nicht mal mehr, ein "s" zu schreiben. Nur durch eine Schummelei konnte sie die Aufgabe lösen - sie schloss kurz die Augen und schrieb blind.
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