Debatte um sozialen Pflichtdienst"Junge Menschen müssen nicht für soziale Aufgaben verpflichtet werden"
Früher mussten junge Männer in Deutschland zur Bundeswehr oder Zivildienst leisten. Bis 2011, dann wurde diese Pflicht abgeschafft. Nun, etwa zehn Jahre später, wird erneut darüber diskutiert, ob nicht für alle jungen Menschen ein sogenannter Pflichtdienst eingeführt werden sollte. Diejenigen, die einen solchen Dienst fordern, sprechen davon, dass junge Menschen der Gesellschaft etwas zurückgeben sollten. Daniela Broda, Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings, sieht das etwas anders.
Sie sagt, diese Debatte um einen sozialen Dienst sei nicht neu. Der Deutsche Bundesjugendring findet allerdings, dass es viel wichtiger wäre, anzuerkennen, dass Millionen junger Menschen sich bereits engagieren – in der Jugendarbeit, beim Sport oder auch in den Freiwilligendiensten.
"Viele leisten dabei ein großes Stück für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft."
Der Bundesjugendring setze sich besonders für die Selbstbestimmung von jungen Menschen ein. "Die Freiwilligkeit ist für junge Menschen bei der Entscheidung für einen sozialen, ökologischen oder auch kulturellen Dienst in ihrer Orientierungsphase total wichtig", sagt Daniela Broda. Anstatt einen Pflichtdienst einzuführen, sei es viel wichtiger, die freiwilligen Angebote auszubauen.
"Alle junge Menschen, die einen Freiwilligendienst leisten wollen, müssen dazu auch die Möglichkeiten bekommen."
Aus dem dritten Engagement-Bericht der Bundesregierung gehe hervor, dass sich circa zwei Drittel aller jungen Menschen Tag für Tag engagieren – in Sportvereinen, in der kulturellen Bildung, bei einer Arbeit. "Und dieses Engagement muss man an der Stelle anerkennen", so Broda.
"Die Frage ist, ob – mit Blick auf die Pandemie und die letzten beiden Jahre – die Gesellschaft nicht jungen Menschen etwas zurückgeben muss."
Daniela Broda vom Deutschen Bundesjugendring dreht die Perspektive um: Sie findet, eigentlich könnte auch darüber diskutiert werden, ob die Gesellschaft nicht jungen Leuten etwas zurückgeben müsste, nachdem diese sich während den zwei Jahren Coronapandemie extrem einschränken mussten. "Junge Menschen hatten nicht ihren Freiraum, konnten nicht ihre Peer sehen, was natürlich auf Grundlage ihres Erwachsenenwerdens, ihrer Lebensphase, in der sie stecken, massive Einschränkungen sind. Und an der Stelle ist es umso wichtiger, genau da hinzuschauen, dass junge Menschen ihre Freiräume wieder zurück bekommen und auch die Möglichkeit haben, selbstbestimmt zu entscheiden, was ihnen wichtig ist", sagt sie.
"Junge Menschen müssen nicht für soziale Aufgaben verpflichtet werden. Das sagen uns Statistiken, das zeigt uns das hohe Engagement."
Dem Argument – so ein Pflichtdienst könnte schließlich auch diejenigen erreichen, die bisher nicht sozial engagiert sind – kann Daniela Broda nichts abgewinnen: "Die Frage ist doch an der Stelle, wie kann ich ermöglichen, dass ich alle erreiche? Also ist das nicht eher den Blick, den wir in der Gesellschaft haben müssen, jenseits von Zwang und Pflicht?" Ihrer Meinung nach müsse der Staat mehr dafür tun, um junge Menschen anzusprechen, um schon während der Schulzeit ausreichend Angebote und Werbung zu integrieren, damit sich mehr Jüngere freiwillig dafür entscheiden, sich zu engagieren.
Ersatz für fehlendes Personal in der Pflege?
Ein Kritikpunkt an einem Pflichtdienst ist, dass der Staat versuche, auf diese Weise Lücken in Bereichen zu stopfen, die total unterbesetzt sind, etwa in der Pflege oder in der Kinderbetreuung. Die Vorsitzende vom Deutschen Bundesjugendring findet das kontraproduktiv. Der Pflegesektor brauche eine Aufwertung, um dem Fachkräftemangel zu reduzieren. Dem Problem mit einer Verpflichtung junger Menschen zu begegnen, sei keine Aufwertung. Hier sei der Staat gefordert, um diesen wichtigen gesellschaftlichen Bereich zu stärken und zu unterstützen.
"Also die Frage von Wertschätzung für die jungen Freiwilligen. Das ist definitiv ein Thema, und das muss auch politisch angegangen werden."
Daniela Broda findet durchaus, dass unserer Gesellschaft mehr Gemeinsinn guttun würde, allerdings glaubt sie nicht, dass ein Pflichtdienst an dieser Stelle weiterhelfen könnte.