BodenschätzeWenn ein Loch die Heimat frisst
Jeder hat eine Heimat. Aber wer schreibt sich schon das Wort "Heimat" in großen Buchstaben über seine Haustür? Lars hat das gemacht. Er wohnt in Immerath. Ein Dorf, an dessen Stelle bald ein tiefes Loch im Boden klaffen wird.
In drei Jahren ist es soweit, dann kommen die riesigen Braunkohlebagger und knabbern Stück für Stück die Erde auch dort auf, wo heute noch das Dorf Immerath steht. Immerath liegt in der Region Niederrhein und gehört zum Braunkohle-Abbaugebiet Garzweiler II. Die meisten Dorfbewohner sind bereits umgesiedelt - nach Immerath-Neu, das zehn Kilometer weit weg aufgebaut wurde. Lars nicht. Er ist geblieben. Und er will auch bleiben - so lange, bis es wirklich nicht mehr geht.
"Der is bekloppt"
Als Lars vor zehn Jahren sein Haus in Immerath baut, hält ihn sein Kumpel Oli für bekloppt. Wie kann man etwas für die Ewigkeit bauen, wenn man weiß, dass es gar keine Ewigkeit geben wird an diesem Ort? Heute sieht er das positiver. Natürlich hält er Lars immer noch für bekloppt, aber er sagt auch, dass es genau solche Verrückte braucht, um ein Zeichen zu setzen.
Das Zeichen heißt "Heimat", prangt in großen Buchstaben über der Haustür von Lars schönem Klinker-Eigenheim und erinnert daran, dass hier Menschen ein zu Hause haben. Oder in die Zukunft gesprochen: eine Heimat gehabt haben werden.
Ein letzter Gang
Auch DRadio-Wissen-Autorin Verena Specks-Ludwig wurde in Immerath geboren, oder - wie es jetzt in ihrem Personalausweis steht - in Erkelenz. Denn Immerath war nur ein Ortsteil - und den wird es ohnehin bald nicht mehr geben. Mit Oli und Lars macht sie sich auf die Suche nach den letzten Spuren der alten Heimat.
"Ich glaube, wenn ein Loch die Heimat frisst, dann frisst es viele Erinnerungen einfach mit auf. Ein Teil der eigenen Vergangenheit: einfach geschluckt und verdaut."