Gender GapErster echter weiblicher Crashtest-Dummy
Sie heißt Eva, ist 162 Zentimeter groß und wiegt 62 Kilogramm. Der erste weibliche Crashtest-Dummy soll für mehr Schutz von Frauen bei Autounfällen führen. Denn bislang wird allein an männlichen Dummies getestet oder mit pseudo-weiblichen Modellen. Die Unfallstatistik zeigt: Es braucht mehr Evas.
Der erste weibliche Dummy hat insgesamt einen völlig anders geformten Körper als die männlichen Kollegen, die im Dienst der Wissenschaft gegen Mauern oder andere Autos geschleudert werden. Bislang haben die Dummies eine männliche Anatomie.
Die Erfinderin von Eva ist die Schwedin Astrid Linder. Sie ist Direktorin für Verkehrssicherheit am Nationalen Straßen- und Transportforschungsinstitut. Gegenüber der BBC erklärte die Wissenschaftlerin, dass Frauen kleiner und leichter sind als Männer, aber auch einen anderen Muskelaufbau haben: Das sei entscheidend bei einem Autounfall. Ebenso habe der weibliche Körper einen anderen Schwerpunkt als der männliche; außerdem seien Hüften und Becken unterschiedlich.
Vor Eva gab es bereits weibliche Crashtest-Dummies, aber eher Pseudo-Modelle. "Das sind einfach nur kleinere, leichtere Versionen ihrer männlichen Kollegen", sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Martina Schulte.
Wenn überhaupt, werden bislang weibliche Pseudo-Dummies genutzt
Als Vorlage wird der männliche Durchschnittsdummy genutzt. In den USA und in der EU ist der 175 Zentimeter groß und wiegt 78 Kilogramm. Der Dummy ist mit reichlich Sensoren und ausgefeilter Schulter-, Knie- und Wirbelsäulen-Mechanik bestückt, um Autoinsassen bei Unfällen durch Gurte, Sitze und Airbags möglichst gut zu schützen.
Die alte weibliche Variante ist 150 Zentimeter groß, was nicht der Körpergröße sehr vieler Frauen weltweit entspricht. Außerdem sind Körperschwerpunkt oder auch der Muskelaufbau nicht an den durchschnittlichen weiblichen Körper angepasst.
"Es gibt Pseudo-Frauendummies. Aber die haben nicht den entsprechenden Körperschwerpunkt, Torso- oder Muskelaufbau."
Doch genau das hat Folgen für weibliche Unfallopfer. Zum Beispiel erleiden Frauen häufiger ein Schleudertrauma, denn ihre Halswirbel sind kleiner, der Nacken ist schmaler und verletzlicher. Auch bei anderen Verletzungen sind Frauen im Auto größeren Gefahren ausgesetzt.
"Frauen haben bei Autounfällen ein über 40 Prozent höheres Risiko für Nackenverletzungen als Männer."
Laut der US-amerikanischen Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA haben Auotfahrerinnen in heutigen Autos ein fast 60 Prozent höheres Risiko für Armverletzungen als Autofahrer. Bei den Beinverletzungen sind es sogar fast 80 Prozent. Bei den Brustverletzungen ist das Verletzungsrisiko rund 20 Prozent höher als bei Männern.
Es gibt noch einen Unterschied: Frauen sitzen im Pkw oftmals höher und näher am Lenkrad als Männer.
Neuere Pkw-Modelle schließen besser den Gender Gap
Eine neue Studie der NHTSA zeigt aber auch, dass sich die Verkehrssicherheit zwischen Männer und Frauen angleicht, wenn es um Autounfälle geht, und der Gender Gap abnimmt. Das gilt vor allem für neuere Modelle ab dem Jahr 2000. Je neuer das Auto, desto geringer der Gender Gap, heißt es in der Studie.
Bislang müssen Fahrzeughersteller keine echten weiblichen Dummies für Crashtests einsetzen. Vorgeschrieben ist nur ein Männerdummy-Test. Das gilt für die USA und die EU. In den Zulassungsverfahren der EU ist explizit vorgegeben, dass zum Beispiel die Gurte an Modellen von durchschnittlichen männlichen Oberkörpern getestet werden müssen.
Die schwedische Wissenschaftlerin Astrid Linder – und Erfinderin von Eva – wünscht sich, dass bald flächendeckend bei Tests weibliche Dummies vorgeschrieben werden. Die Vereinten Nationen überprüfen zurzeit, ob sie ihre Vorschriften für Crashtests entsprechend anpasst, damit alle Fahrerinnen und Fahrer geschützt sind.