GesundheitsämterSuperspreading Events könnten stärker in den Fokus geraten
Im November wird das öffentliche Leben in Deutschland heruntergefahren. Aber wie kann gewährleistet werden, dass danach die Zahl der Infektionen nicht gleich wieder hochschnellt? Eine Idee ist, dass die Gesundheitsämter ihre Arbeitsweise ändern.
Veranstaltungen sind verboten, Kneipen, Kinos und Fitnessstudios sind zu für zunächst einen Monat lang, damit die Infektionszahlen wieder sinken. Und danach? Wie schaffen wir es, dass die Zahlen dann nicht gleich wieder ansteigen und aus dem gemeinsamen Weihnachtsfest doch nichts wird?
Möglicher Strategiewechsel der Gesundheitsämter
Eine Idee, um das hinzukriegen, setzt bei den Gesundheitsämtern an. Sie sollen nicht mehr einzelne Fälle im Detail verfolgen, sondern sich voll auf sogenannte Quellencluster konzentrieren, also auf große Ansammlungen von Menschen bei Superspreading Events.
"Es wäre eine Art Strategiewechsel: Die Gesundheitsämter würden nicht mehr einzelne Fälle verfolgen, sondern sich voll auf sogenannte Quellencluster konzentrieren, also auf Superspreading Events."
Bisher fragt das Gesundheitsamt infizierte Personen, wen diese in den letzten Tagen getroffen und möglicherweise angesteckt haben könnten.
In dem neuen Modell würde der Fokus darauf verlagert herauszufinden, wo sich die positiv Getesteten selbst angesteckt haben. Die Gesundheitsämter würden dann bei jedem neuen Fall sofort fragen: Waren Sie auf einer Feier oder an einem anderen Ort, an dem viele Menschen zusammengekommen sind?
Sofort in Quarantäne ohne Test
Wenn ja, konzentrieren sich die Behörden dann darauf, Kontaktpersonen zu finden, die ebenfalls an diesem Ort waren. Diese würden dann umgehend isoliert, ohne Test.
"Mit dieser Strategie würde man versuchen, die Leute, die möglicherweise jetzt gerade infektiös sind, sofort von der Straße zu holen."
Nach ein paar Tagen könnten diese Personen dann aber einen Test machen und sich damit - sofern er negativ ausfällt - aus der Quarantäne befreien. Die Idee wird unter anderem vom Virologen Christian Drosten und dem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach unterstützt.
Den Fokus auf die Superspreading Events zu legen, sei vor allem bei hohen Infektionszahlen, wie wir sie im Moment haben, die bessere Strategie, erklärt Christina Sartori. Die begrenzten Kapazitäten der Gesundheitsämter könnten dadurch besser genutzt werden.
Oberste Pandemie-Maßnahme: AHA-Regeln
Wie sich die Zahlen entwickeln werden, hänge aber natürlich nicht vorrangig von der Strategie der Ämter ab, sondern vor allem davon, wie gut die Menschen die AHA-Regeln befolgen: Abstand, Hygiene, Alltagsmaske.
Dass die Idee eines Strategiewechsels erst jetzt umgesetzt werden könnte, habe damit zu tun, dass die Zahlen bisher relativ niedrig waren, sagt Christina Sartori.
"Bei den niedrigen Zahlen konnte man sich quasi noch den Luxus erlauben, jeden einzelnen nach seinen Kontakten zu fragen. Aber wenn man neue Informationen hat, muss man neu denken."
Jeden Infizierten nach seinen Kontakten zu fragen, sei quasi ein gewisser Luxus gewesen, den man sich bisher leisten konnte, weil die die Infektionszahlen so niedrig waren. Nach dem neuen Modell nehme man quasi in Kauf, dass einem ein paar Infektionen durch die Lappen gehen könnten – um aber eben das Superspreading Event in den Griff zu bekommen.
Vorbild Japan?
Japan hat bereits Erfahrungen mit der sogenannten Clusterverfolgung gemacht – scheinbar gute, sagt Christina Sartori. Allerdings könnte auch die sehr geringe Zahl an Tests in Japan dazu beitragen, dass es aussieht, als hätte das Land die Situation einigermaßen gut im Griff.
Außerdem sei Japan kaum vergleichbar mit Deutschland, da es eine Insel ist, die viel einfacher abzuschotten sei. Und: Die Haltung der Japanerinnen und Japaner gegenüber Masken sei von Anfang an eine ganz andere gewesen. Die Menschen seien vielmehr gewohnt, dem Folge zu leisten, was der Staat sagt.