Streit um MitgliedsbeiträgeCouchsurfing: Von der gemeinnützigen Idee zum großen Unternehmen
16 Jahre lang war die Plattform Couchsurfing kostenlos. Doch auch sie wurde hart von der Corona-Krise getroffen und hat deshalb einen Mitgliedsbeitrag eingeführt. Die Community ist gespalten, was sie von dem Schritt halten soll.
Als die Plattform Couchsurfing im Jahr 2004 an den Start ging, galt sie als ein Beispiel für "True Sharing"- echtes Teilen. Es ging nicht darum, Geld für eine Dienstleistung wie einen Schlafplatz zu verlangen, sondern um das uneigennützige Teilen der eigenen Couch oder des Bettes, sagt Jonas Pentzien. Er befasst sich mit der Sharing Economy am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin.
"Couchsurfing wird häufig angeführt für ein Beispiel für 'True Sharing' - also echtes Sharing."
16 Jahre später hat die Plattform im Mai dieses Jahres einen Beitrag von 14 Euro pro Jahr für Mitglieder aus vielen westlichen Ländern eingeführt. Der Grund seien die fehlenden Einnahmen durch die Corona-Krise, wie das Unternehmen in einem Blogeintrag schildert. Bislang finanziert sich das Unternehmen über Werbung und eine kostenpflichtige Identitätsprüfung der Nutzer. Außerdem hat es Risikokapital von Investoren eingesammelt.
Bei vielen Mitgliedern kam dieser Schritt überhaupt nicht gut an. Die Antwort, warum eine eigentlich geringe Summe so viel Aufsehen erregt, liegt in der Gründungsgeschichte der Plattform.
Unkommerzieller Gründungsgedanke
Zu Beginn der Plattform war nicht nur die Idee an sich, sondern auch die Organisation der Plattform unkommerziell, erzählt Jonas Pentzien. Zwischen 2006 und 2011 wurde die Plattform hauptsächlich von Freiwilligen entwickelt und programmiert. Bald ist daraus eine richtige Couchsurfing-Community entstanden, die an den unterschiedlichsten Orten der Welt an der Weiterentwicklung der Plattform beteiligt war.
"Da ist eine richtige Community entstanden, die sich weltweit getroffen hat, an unterschiedlichen Orten und dann in so einer Art Hackathon an der Plattform weitergearbeitet hat."
Andere Mitglieder haben sich zusätzlich offline und regional vernetzt und freiwillig Veranstaltungen organisiert. Die Begeisterung über die Idee der Plattform war ihr Antrieb. Doch diese Euphorie wurde lange Zeit von rechtlichen Problemen begleitet.
Non-Profit-Status: abgelehnt
Denn ursprünglich wollte die Plattform in den USA als eine Non-Profit-Organisation anerkannt werden, erzählt Jonas Pentzien. Mit dieser Klassifizierung hätte sie in den USA auch wichtige steuerliche Vorteile erhalten. Doch der Antrag wurde 2011 durch die Behörden abgelehnt. Viele interne Diskussionen später stand fest: Aus der Plattform Couchsurfing wird ein kommerzielles Unternehmen.
Über 20 Millionen Dollar Risikokapital
Nach dieser Entscheidung sammelte das Unternehmen über 20 Millionen Dollar Risikokapital von Investoren. Für Teile der Community war dieser Schritt, wichtig, um das Überleben der Plattform zu sichern, für andere war es ein No-Go.
Die 53-jährige Ansgar Dierkes, der seit 2007 Mitglied bei Couchsurfing ist, hatte damals gehofft, dass die Plattform das Geld sinnvoll einsetzen würde, um "etwas Tolles, Größeres" entstehen zu lassen. Doch seiner Ansicht nach wurde das Geld alles andere als konstruktiv ausgegeben.
"Und ich dachte, die bringen ihre 20 Millionen, um daraus etwas Tolles, Größeres zu bauen, tatsächlich aber scheinen sie nicht viel Plan gehabt zu haben, was sie damit eigentlich wollen. Sie haben das Geld sicherlich ausgegeben, aber nicht konstruktiv."
Ansgar und andere Mitglieder verfolgen die Veränderungen auf der Plattform seitdem kritisch. Die Seite wurde neu aufgesetzt, Werbung wurde eingeführt. Ihre Kritikpunkte: Sie fühlen sich nicht mehr miteinbezogen in der Community und bemängeln vor allem die fehlende Transparenz.
Mitgliedsbeiträge als Chance
Andere Mitglieder dagegen sehen die Einführung des Beitrags nicht so kritisch wie Ansgar und sehen die Zahlungen als eine Art Unterstützung für die Plattform.
Für Ulf Kleinings war die Umwandlung von Couchsurfing in ein Unternehmen damals unvermeidlich. Er ist bereits seit 2005, also fast seit Beginn der Plattform Mitglied. Ulf sagt: Wenn das Geld der Plattform hilft, ist der Beitrag in Ordnung. Er vergleicht es mit der Nutzung von Facebook oder Zoom. Hier störe sich niemand daran, dass das Unternehmen durch die Nutzung Gewinn mache.
"Mich persönlich interessiert es nicht. Ich nutze ja auch Facebook und Whatsapp und Zoom jetzt. Da macht ja auch jemand Gewinn daran, trotzdem nutzen wir das schön umsonst und freuen uns darüber."
Im Gesamten ist aber auch Ulf Kleinings nicht mehr ganz so zufrieden mit der Plattform und ihrer Führung.
Eine Plattform am Scheideweg
Für den Sharing-Economy-Experten Jonas Pentzien ist die Kommerzialisierung der Plattform durch Mitgliedsbeiträge kein unerhebliches Ereignis. Die Plattform stehe jetzt vor der Entscheidung: Will sie gemeinwohlorientiert wirtschaften oder will sie auf dem Markt der Sharing-Economy mit Anbietern wie Airbnb mithalten. Jonas Pentzien hätte bei Letzterem kein gutes Gefühl.