CoronavirusSuche nach Impfstoff: Ist es okay, in Afrika zu testen?
Zwei französische Wissenschaftler haben mit ihrem Vorschlag, einen möglichen Corona-Impfstoff in Afrika zu testen, für Aufsehen gesorgt. dafür ernteten sie Kritik – der Vorschlag sei rassistisch. Bei einigen Punkten lohnt es sich dennoch genau hinzuschauen.
Jean-Paul Mira ist Chefarzt am Pariser Cochin Krankenhaus. Seiner Meinung nach wäre es ideal, einen Corona-Impfstoff in Afrika zu testen, weil es dort weder Wiederbelebungsmaßnahmen, noch Behandlungsmöglichkeiten, noch Schutzmasken gebe. Camille Locht, Direktor am nationalen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung in Frankreich sagt dazu: "Sie haben recht. Wir überlegen, eine parallele Studie in Afrika durchzuführen." Diese Aussagen sorgen für Ärger.
Es dauerte nicht lange, bis es Rassismusvorwürfe hagelte. David Alaba vom FC Bayern München hat gleich auf Twitter reagiert: "Diese Art von Rassismus hätte ich mir nie vorstellen können." Ebenso sein Kollege Didier Drogba: Afrika sei "kein Versuchslabor" und die Menschen in Afrika keine Versuchstiere. Inzwischen haben sich die Forscher auch für ihre Aussagen entschuldigt.
"Dümmer geht’s nimmer, muss man sagen."
Grit Kienzlen, Wissenschaftsjournalistin aus unserem Team, hat sich die Diskussion angeschaut. Sie findet die Aussagen höchst problematisch und ist vor allem erstaunt darüber, wie französische Wissenschaftler vor dem Hintergrund unserer europäischen Kolonialgeschichte so etwas sagen können. Es sei auch seltsam, ganz pauschal von Afrika sprechen, anstatt einen konkreten Ort zu nennen. Dennoch findet sie, dass es Aspekte in der Diskussion gibt, bei denen es sich lohnt, genauer hinzuschauen.
"Was natürlich nicht geht, ist offensichtlich – und das haben die Fußballer in ihren Tweets ja auch formuliert: Afrika ist nicht unser Versuchslabor."
Die ganze Frage nach Testpersonen für medizinische Studien – insbesondere für Impfstoffstudien – ist immer eine Abwägung von Nutzen und Risiken. Im Moment wird parallel in vielen Ländern an Impfstoffen geforscht, mit vielen verschiedenen Ansätzen. Aus den USA gab es sogar schon die ersten Berichte über Corona-Impfstoff-Tests an Freiwilligen.
Tierversuchen folgen Tests mit Menschen
Zuerst werden neue Impfstoffe übrigens immer an Tieren getestet – also wenn es darum geht, ob sie dem Körper schaden oder nicht. Da seien solche Tests gut und wichtig, sagt Grit Kienzlen. Wenn wir aber wissen wollen, ob der Impfstoff auch schützt, dann kommen wir mit Tierversuchen oft nicht weiter.
"Im aktuellen Fall von Sars-CoV-2 scheint es nämlich so, dass die meisten klassischen Labortiere sich nicht mit dem Virus anstecken. Bei Frettchen und Katzen vermehrt sich das Virus zwar, ob die Symptome dann aber so aussehen wie beim Menschen, bleibt abzuwarten. Um eine Antwort auf die Frage zu finden, ob ein Impfstoff Menschen schützt, muss er also auch an Menschen getestet werden. Und nicht nur das: Die geimpften Menschen müssen dem Virus ausgesetzt sein.
"Und man dürfte solche Versuche natürlich nicht mit Risikopatienten machen."
Variante 1: Die absichtliche Infektion
Das bedeutet: Entweder man infiziert Menschen absichtlich mit einem bestimmten Virus, oder man wartet, bis sie sich von selbst anstecken. So etwas mit Absicht zu machen, sei ethisch eigentlich nur vertretbar, wenn die Testpersonen sich voraussichtlich sowieso früher oder später anstecken würden, so Grit Kienzlen. Bei der absichtlichen Ansteckung hätten sie aber den Vorteil, dass sie medizinisch bestens überwacht werden.
Die Sache hat allerdings einen kleinen medizinischen Haken, über die der deutsche Virologe Christian Drosten bereits in seinem Podcast gesprochen hat: Drosten sagt, man sollte niemandem so ein Virus einfach in den Hals tröpfeln – im Tierversuch heißt das "Belastungsinfektion". Denn wir wissen nicht, wieviel Virus wir bei einer natürlichen Infektion abkriegen. Wissenschaftler haben es hier also noch mit einem unbekannten Faktor zu tun, der zuallererst geklärt werden müsste.
Variante 2: Warten auf die zufällige Infektion
Die zweite Variante: einfach warten, bis sich Menschen selber infizieren. Unsere Kollegin Grit Kienzlen gibt dabei aber zu bedenken: "Das hat den Nachteil, dass das bei der ganzen Maskentragerei doch etwas länger dauern kann. Wir brauchen den Impfstoff aber schnell."
Und das sei wohl der Grund, die hinter dieser Äußerung des französischen Wissenschaftlers steckt: In vielen Ländern Afrikas gibt es keine Masken und selten Behandlungsmöglichkeiten. Unter diesen Gegebenheiten ist jemand, der im Rahmen einer kontrollierten, medizinischen Studie krank wird, eventuell sehr viel besser dran als jemand, der gar keine medizinische Hilfe bekommt.
"Was natürlich nicht geht, ist, dass die Tests in Afrika gemacht und die Impfstoffe dann als erstes in den reichen Ländern verteilt werden. Denn was wären die Menschen in Afrika sonst gewesen als eben nur die 'Versuchskaninchen.'"
Wissenschaftsjournalistin Grit Kienzlen sagt, die Idee, einen Impfstoff in Afrika zu testen, wäre unter mehreren Bedingungen akzeptabel. Allerdings bezweifelt sie, dass diese Bedingungen im aktuellen Fall gegeben wären.
- Erstens müssten die Patienten ihre "informierte Einwilligung" geben.
- Zweitens: Die Menschen dürften nicht aus Armutsgründen an der Studie teilnehmen. Es dürfte also kein Geld fließen. Der Anreiz müsste wirklich in einer besseren Gesundheitsversorgung liegen.
- Und Drittens: Die Impfstoffe müssten später auch sehr schnell dort zur Verfügung stehen, wo getestet wurde.