Corona und DepressionenWenn die Zeit mit der eigenen Familie zur Qual wird
Benjamin leidet an Depressionen. In den vergangenen Jahren war er deshalb immer wieder in Behandlung – zuletzt im Herbst 2019. Endlich ging es ihm wieder besser. Doch dann kommt der Corona-Shutdown und Benjamin ist tagtäglich zusammen mit seiner Familie auf engstem Raum. Eine Situation, die ihn an seine Grenzen bringt.
Es ist März. Die Corona-Pandemie ist auch in Deutschland angekommen: Restaurants schließen, Veranstaltungen werden abgesagt, das öffentliche Leben lahm gelegt. Kinder können nicht mehr in die Kita oder Schule gehen, Eltern arbeiten im Homeoffice. Auch Benjamin Maack ist plötzlich sieben Tage die Woche zuhause.
Zusammen mit seiner Familie muss er nach einem Österreich-Urlaub zwei Wochen in Quarantäne. Zu Beginn empfand er die Situation als schön, erzählt er. Doch schon bald wird ihm alles zu viel, zu eng, zu beklemmend.
"Am Anfang hab ich die Situation als ganz schön wahrgenommen, und dann, etwas später, habe ich gemerkt, wie viel Zeit ich für mich brauche."
Das Comeback der Depressionen
Benjamin Maack arbeitet als Autor und Redakteur in Hamburg. Seit einigen Jahren leidet er an schweren, wiederkehrenden Depressionen. Darüber hat er ein Buch geschrieben. Der Titel: Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein. Die Corona-Maßnahmen waren für ihn eine besondere Herausforderungen – denn seine Depressionen sind immer da, lauern auf ihr Comeback.
"Du bist der schlechteste Mensch der Welt! Wie kann man nur nicht mit seinen Kindern zusammen sein wollen und mit seiner Frau!?"
Benjamins letzter Klinikaufenthalt ist zu diesem Zeitpunkt gerade mal ein paar Monate her. Und jetzt wird er mit einer Situation konfrontiert, die auch vollständig gesunde Leute an ihre Grenze bringt. Man kann das Haus nicht verlassen, alle sind ständig daheim, die Kinder können ihre Freunde nicht mehr sehen und sollen jetzt auch noch zu Hause beschult werden.
"Wenn Papa 24 Stunden an 7 Tagen die Woche da ist, das ist eben sehr, sehr anstrengend gewesen."
Selbstzweifel und Überforderung
Benjamin ist überfordert. Und um damit einigermaßen klar zu kommen, flüchtet er sich in vermeintlich notwendige Hausarbeit: einen neuen Sandkasten bauen, das Klo fliesen. Aber es hilft nichts. Während andere Eltern Fotos von den super-coolen Sachen schicken, die sie gerade mit ihren Kindern gebastelt haben, ist er froh, wenn er es mit seinen im selben Raum aushält. Was ihm fehlt, ist Zeit zum Alleinsein. Und er musste sich trauen, das auch einzufordern.
"Wir haben dann einen Terminplan gemacht: Eine Stunde Ruhe zum Mittag und dann eine Tobestunde, wo ich für die Kinder da bin."
Inzwischen ist Benjamins Leben wieder halbwegs normal. Die Kinder werden tagsüber außer Haus betreut, und er hat mehr Zeit für sich. Seine Depressionen sind deswegen natürlich nicht weg. Wahrscheinlich werden sie ihn ein Leben lang begleiten. Damit hat er aber inzwischen gelernt zu leben.
Wer selbst Hilfe braucht, kann sich telefonisch oder online bei der Telefonseelsorge melden. Unter den kostenlosen Hotlines 0800-111 0 111 und 0800-111 0 222 könnt ihr euch anonym und vertraulich beraten lassen.