Während der Corona-PandemieWenn der Friedhof zum Park wird
Party zwischen Grabsteinen? Das wäre sicher respektlos. Aber ist es okay, auf den Grünflächen dort ein Buch zu lesen, Sport zu machen oder zu picknicken? Gerade in Städten werden die Friedhöfe jetzt, während der Corona-Pandemie, neu entdeckt. Unsere Reporterin hat sich auf einem Berliner Friedhof umgesehen - an einem schönen Samstagnachmittag.
Entspannen auf dem Friedhof - der Gedanke ist verlockend, zumindest wenn das Wetter schön ist, die Parks überfüllt sind und man sich in Social Distancing übt.
Viele Friedhöfe haben wunderschöne Grünanlagen, Baumbestände wie in einem Park, dazu Bänke und Wege, um spazieren zu gehen.
"An Wochenendtagen, wenn schönes Wetter ist, dann ist hier nachmittags schon der Bär los."
Das wirkt so attraktiv auf manche, dass die evangelischen Friedhöfe in Berlin im März für ein paar Tage geschlossen wurden, weil Menschen sie wohl aufgrund der aktuellen Situation zu Freizeitorten umfunktioniert hatten - und die Kontaktbeschränkungen nicht immer eingehalten wurden. Es war die Rede von Picknicks und Fußball zwischen den Grabsteinen.
An einem schönen Samstagvormittag im Mai besucht unsere Reporterin Ivy Nortey den St. Jacobi-Friedhof im ziemlich belebten Berliner Bezirk Neukölln. Auch Rebecca ist hier mit zwei Freunden und einem Hund unterwegs. Sie gehen spazieren, trinken ein Bier.
"Wir haben uns das tatsächlich vorhin beim Eintreten auch gefragt, ob das okay ist, jetzt hier ein Bier zu trinken oder eigentlich unangebracht."
Ob sie einfach so auf den Friedhof gehen können, haben sie sich schon gefragt, erzählt Rebecca. "Solange man natürlich irgendwie darauf Rücksicht nimmt, dass hier Leute auch aus einem ganz anderen Grund herkommen", meint Freund Tjago, sei das in Ordnung. Das Tempelhofer Feld, die vermutlich beliebteste Grünfläche in der Gegend, sei ihm derzeit einfach zu voll.
Friedhofssatzung bestimmt, was man auf einem Friedhof darf
Was man auf einem Friedhof darf oder nicht, das steht in der jeweiligen Friedhofssatzung. Es kommt aber auch darauf an, was von der Verwaltung geduldet wird. An manchen Orten sind Sport, Picknick oder Hunde erlaubt, an anderen streng verboten.
"Es ist automatisch ein sozialer Ort und nicht nur einer, wo man alleine am Sonntag hingeht und irgendwie ganz traurig alleine ist."
Swantje ist nicht zum Spazierengehen auf dem Friedhof - sie besucht dort jeden Sonntag das Grab einer Verstorbenen. Party und Drogen, findet sie, gehören nicht auf einen Friedhof. "Aber Joggen, Sport, so lebendige Aktivitäten" stören sie nicht, im Gegenteil: "Also ich möchte nicht, dass die Leute auf dem Friedhof nur traurig sind."
Geteilter Friedhof für verschiedene Projekte
Auf dem Friedhof in Berlin-Neukölln ist der vordere Teil ein klassischer Friedhof mit Grabsteinen - weiter hinten ähnelt er eher einem Park. Dort treffen sich Menschen regelmäßig bei verschiedenen Garten- und Kultur-Projekten.
Martin Venne ist Stadtplaner in Kassel und beschäftigt sich schon lange mit der Rolle von Friedhöfen in der Stadt. Er sagt, diese Art der geteilten Nutzung ist ein neueres Konzept das zeigt, wie sich Friedhöfe als Kulturraum einbringen können.
"Die Friedhöfe selber sind auf dem Weg, sich zu öffnen. Weil natürlich auch immer mehr Flächen frei werden. Und so öffnen sich auch Räume, in denen Freizeit und Erholungsnutzung wirklich stattfinden kann."
Und so finden sich auch auf dem Friedhof in Neukölln Menschen, die joggen, lesen, chillen. Sie genießen die Ruhe und das Ungestörtsein, sagen sie. Ganz weit hinten dreht jemand ein Bewerbungsvideo.
"Für mich ist das ein Ort der Erholung, ich wohne gleich nebendran. Es ist ein bisschen wie mein kleiner privater Garten, wo ich zum Lesen hin komme, zum Spielen, zum Spazierengehen - und das ist einfach fantastisch."