KommunikationCorona-Impfstoff: Wenn wir Fachbegriffe missverstehen
Im Zusammenhang mit dem neuartigen Coronavirus schwirren einige Fachbegriffe durch den Raum. Oft wird aber vergessen zu erklären, was die Begriffe eigentlich aussagen – wie zuletzt bei der Wirksamkeit des Astra-Zeneca-Impfstoffs. Kognitionspsychologe Christian Stöcker sieht in der Kommunikation rundum das Coronavirus ein Grundproblem.
Im Gespräch um die Coronavirus-Impfstoffe sprechen Fachleute von deren Wirksamkeit – und alle anderen übernehmen den Begriff oft einfach. Was heißt es aber, wenn ein Impfstoff eine Wirksamkeit von etwa 60 Prozent hat?
Für viele weist das scheinbar auf eine Art von Mangel hin. Sie verstehen etwa, das Vakzin schütze nur 60 Prozent der Geimpften und die anderen nicht. Andere halten den Impfstoff aufgrund der Prozentzahl offenbar für minderwertig. Zumindest bleiben in einigen Impfzentren gerade die Impfdosen des Coronavirus-Impfstoffs von Astra-Zenca liegen.
Geringeres Ansteckungsrisiko durch Impfung
Die Wirksamkeit eines Impfstoffs sagt aus, um wie viel Prozent ein Mittel das generelle Ansteckungsrisiko verringert.
Ein fiktives Beispiel: In einer Studie erkranken zehn Testpersonen, die einen Impfstoff bekommen haben, an Covid-19. In einer vergleichbaren Placebogruppe sind es dagegen 100. Die 100 Fälle aus der Placebogruppe entsprechen hundert Prozent. Die zehn Fälle in der Gruppe, die den Impfstoff bekommen haben, entsprechen zehn Prozent davon. Das Erkrankungsrisiko war also mit Impfstoff 90 Prozent niedriger als in der Placebogruppe – der Impfstoff hat also eine Wirkung von 90 Prozent (100-10=90).
Außerdem erklärt Immunologe Carsten Watzl: Bei den Personen, die geimpft sind, und trotzdem erkranken, scheint das Risiko, einen schweren Verlauf zu haben, geringer als bei ungeimpften Personen.
Fachbegriffe führen zu Fehlinterpretation
Die Schlussfolgerung, dass 60 Prozent der Geimpften geschützt und 40 Prozent komplett ungeschützt seien, ist eine Fehlinterpretation. Für Kognitionspsychologe Christian Stöcker ist die aktuelle Diskussion um den Impfstoff von Astra-Zeneca ein Beispiel für ein grundsätzliches Problem, das er in der Kommunikation über das neuartige Coronavirus sieht.
"Manchmal ist möglichst einfach eben zu einfach. In dem Moment, in dem man einen Prozentsatz auch noch mit dem Begriff 'Wirksamkeit' ins Spiel bringt, sorgt man eben unter Umständen für mehr Verwirrung als Aufklärung."
Denn: Einige wissenschaftliche Fachbegriffe seien in den vergangen Monaten wortgleich übernommen worden. Oft eben ohne die Bedeutung der Fachbegriffe verständlich zu erklären. "Da bleibt dann leider unter Umständen ein bisschen was davon auf der Strecke, weil man sich nicht vorher überlegt hat: Wie erkläre ich das denn jetzt so, dass es auch tatsächlich ankommt – auch bei Leuten, denen der Begriff, mit dem ich hier hantiere, eigentlich überhaupt nicht vertraut ist?", so Christian Stöcker.
Wissen verständlich machen für alle
Anstelle von Wirksamkeit könnte etwa von einem relativen Risiko gesprochen werden. Der Kognitionspsychologe hält auch das Übernehmen der Prozentwerte für kritisch. Dadurch gehe die eigentliche Botschaft unter. Die laute: "Diese Impfstoffe tun das, was sie tun sollen, nämlich: Sie verhindern die ganz große Covid-Katastrophe in deutschen Kliniken."
Christian Stöcker beobachtet hier eine "Markenloyalität" gegenüber Impfstoffherstellern, die sich neu entwickelt habe. In der Vergangenheit habe es diesen Effekt nicht gegeben: Bei der Gripppe-Impfung würden sich vermutlich die wenigsten vorher darüber informieren, von welchem Hersteller das Vakzin sei, bevor sie sich impfen lassen.
"Wann haben Sie zum letzten Mal bei einer Impfung gefragt: Von welchem Hersteller ist der Impfstoff?"