Integrität im JobClimate Quitting: Kündigen für den Klimaschutz

Kündigen, weil die Bezahlung nicht stimmt oder die Wertschätzung fehlt. Das kennen wir. Aber wer kündigt schon, weil der Arbeitgeber Nachhaltigkeit nicht auf dem Schirm hat? Julia zum Beispiel. Früher war sie im Marketing, heute ist sie Nachhaltigkeitsmanagerin.

Eigentlich hat sie ihren Job als Marketingmanagerin wirklich gern gemacht. Dann kam Corona und stellte das Leben auf den Kopf. Bei Julia sollte es das Berufsleben sein. Doch das wusste sie damals noch gar nicht.

Als "Climate Quitterin" ein Zeichen setzen

Während draußen die Welt stillstand, saß Julia auf dem Sofa und schaute sich Dokus und Reportagen über Umwelt, Klima und Nachhaltigkeit an. Bis zu dem Zeitpunkt waren ihr die Probleme grundsätzlich bekannt, sagt sie, aber so richtig bewusst hatte sich mit ihrer Tragweite nicht auseinandergesetzt.

"Es gibt so viele Dinge, die schieflaufen, die es zu verbessern gilt. Und mir war klar, ich muss und möchte Teil dieser Verbesserung werden."
Julia, Climate Quitterin

Julia fängt den berufsbegleitenden Master "Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement" an. Ihr Plan: in ihrem bisherigen Unternehmen etwas in puncto Nachhaltigkeit verändern. Die Geschäftsführung sah darin aber keine Notwendigkeit, erzählt Julia. Also hat sie kurzen Prozess gemacht und gekündigt. Und das, ohne vorher einen neuen Job zu haben.

"Ich wurde völlig verdutzt angeschaut, wie ich einen gut bezahlten Marketingjob für so etwas wahnsinnig Ungewisses aufgeben kann."
Julia, Climate Quitterin

Inzwischen arbeitet Julia als Nachhaltigkeitsmanagerin. Zusammen mit anderen Abteilungen des Unternehmens entwickelt sie Nachhaltigkeitsmaßnahmen, versucht beispielsweise in der Lieferkette CO2-Emissionen zu minimieren. Auch soziale Themen wie Arbeitsbedingungen bei Zulieferern und die Zufriedenheit und Sicherheit der eigenen Kolleginnen und Kollegen gehören zu ihrem Job.

Integrität hat ihren Preis

Julia hat ihren Job gewechselt, um für sich integer zu bleiben. Dafür nimmt sie auch Einbußen in Kauf. Denn heute verdient sie rund zwanzig Prozent weniger als im Marketing.

Bezahlung, Wertschätzung und Entwicklungsmöglichkeiten – das sind in den meisten Fällen die Faktoren, auf die es ankommt, wenn Menschen über Jobzufriedenheit sprechen, sagt Claudia Buengeler, Professorin für Personal und Organisation am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Kiel. Ob die Werte des Arbeitgebers mit den eigenen übereinstimmen, werde aber zunehmend wichtiger – auch bezogen auf Nachhaltigkeit.

Unternehmen kommen an Nachhaltigkeit nicht mehr vorbei

Für die BWL-Professorin ist klar: Unternehmen werden stärker danach bewertet, wie nachhaltig sie handeln – sowohl von Kundinnen und Kunden als auch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Forschung zeigt außerdem: Bei Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen löst es regelrecht Stolz aus, für Arbeitgeber zu arbeiten, die Nachhaltigkeit ernsthaft verfolgen.

"Viele glauben: Wenn ein Unternehmen sich um Nachhaltigkeit kümmert, wird es ein Ort sein, wo Mitarbeitende gut behandelt und nicht übers Ohr gehauen werden."
Claudia Buengeler, BWL-Professorin

Julia hat ihren radikalen Schritt, den alten Job zu schmeißen, nicht einen Tag bereut, sagt sie. Ihre Erwartung, mit ihrem Job etwas bewirken zu können, habe sich erfüllt – auch wenn Veränderungen oft Zeit bräuchten.