RechtsstaatClankriminalität: Von der Problematik eines Begriffs

"Clankriminalität" - den Begriff hat wohl jeder schon mal gehört. Aber er ist sehr problematisch. Der Kriminologe Jens Struck untersucht den Begriff und seine Verwendung. Außerdem in dieser Folge: Die Journalisten Uwe Krüger und Connor Endt sprechen in ihrem Vortrag über sogenannte Slapp-Klagen.

Das Bundeskriminalamt hat in seiner Statistik für das Jahr 2023 einen neuen Rekord errechnet: Mit 2,7 Milliarden Euro haben sich die Schäden durch die organisierte Kriminalität gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt.

Sowohl Fachleute als auch die Öffentlichkeit sprechen von "Clankriminalität", wenn aus dem Bode-Museum in Berlin eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze entwendet wird oder im Grünen Gewölbe in Dresden der arabische Remmo-Clan zuschlägt.

"Es gibt keine einheitliche konsensfähige Verwendung des Terminus 'Clankriminalität'."
Jens Struck, Kriminologe und Soziologe

Kriminologe und Soziologe Jens Struck kommt in seinen Forschungen zu dem Ergebnis, dass der Begriff sowohl von der Fachwelt als auch der Bevölkerung mit einer großen Selbstverständlichkeit benutzt wird – ohne jede weitere Erläuterung, als handele es sich um etwas objektiv Gegebenes. Andererseits sei ein zutreffenderes Synonym für das Wort Clankriminalität nicht in Sicht.

Missbrauchtes Recht

Der zweite Vortrag in dieser Hörsaal-Folge kommt von Uwe Krüger und Connor Endt. Uwe Krüger ist Forschungskoordinator am Zentrum Journalismus und Demokratie der Uni Leipzig. Connor Endt ist Kulturwissenschaftler und Journalist. Sie befassen sich in ihrem Vortrag mit sogenannten "Slapp-Klagen". Slapp bedeutet Strategic Lawsuit Against Public Participation (Strategische Prozessführung gegen öffentliche Beteiligung).

Dabei geht es darum, Journalist*innen, Wissenschaft*innen und Aktivist*innen mundtot zu machen, damit ein unliebsames Thema nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Die Kläger*innen bedienen sich in solchen Fällen Rechtsanwaltskanzleien, die gegen Veröffentlichungen mit allen Mitteln des Rechtsstaates vorgehen. Obwohl die Freiheit für Wissenschaft und Presse im Grundgesetz fest verankert ist, werden derartige zweifelhafte Versuche immer wieder unternommen. Angedrohte und hohe Geldstrafen sind nur ein Beispiel unter vielen, mit denen Angst erzeugt werden soll.

"Die Tagesordnung der Öffentlichkeit soll beschnitten werden, ein Thema soll 'de-thematisiert' werden. Da klagt jemand strategisch gegen Leute, die teilhaben an der Öffentlichkeit."
Uwe Krüger, Forschungskoordinator

Inzwischen hat die Europäische Union Richtlinien verabschiedet, die Slapp-Klagen erschweren sollen. In Deutschland hat sich zudem eine Anlaufstelle gegründet, an die sich Betroffene wenden und um Hilfe bitten können.

Jens Struck ist neuerdings Akademischer Rat am Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Münster. Zum Zeitpunkt seines Vortrages am 16. November 2023 an der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" war er noch an der Deutschen Hochschule der Polizei tätig. Sein Vortrag hat den Titel "Eindeutig uneindeutig. Analysen und Kontroversen des Konzepts Clankriminalität".

Uwe Krüger und Connor Endt haben am 3. Juli 2024 ihre Forschungsergebnisse zum Thema "Missbrauchtes Recht: Einschüchterungsklagen gegen Journalistinnen und Wissenschaftler" ausführlich erläutert. Sie sprachen innerhalb der Reihe "Studium universale: 75 Jahre Grundgesetz" an der Universität Leipzig.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Textes wurde die sogenannte Clankriminalität als eine der größten Bedrohungen des Rechtsstaates bezeichnet, was als Aussage des Vortragenden Jens Struck hätte missverstanden werden können. Er distanziert sich ausdrücklich von dieser Formulierung. In seinem Vortrag spricht er vielmehr über das Konzept "Clankriminalität" und kommt zu dem Schluss, dass dieses äußerst problematisch ist. Wir haben daher Titel, Text und auch das Audio selbst angepasst.

Ihr wollt den Hörsaal live erleben? Am 11. Oktober 2024 sind wir in Berlin! Hier gibt es Infos und einen Link zu den Tickets. Am 01. November 2024 machen wir auch einen Live-Podcast in Halle – der Eintritt ist frei. Die Infos dazu gibt's hier.