Citizen ScienceLaien an die Macht
Wir sind meilenweit von einer Wissensgesellschaft entfernt. Die professionelle Wissenschaft ist viel zu abstrakt und abgehoben für die Masse. Die Lösung? Lasst uns alle Forscher werden.
Schmetterlingsforschung, die Kartierung der Blütenpflanzen Deutschlands, Stadt- und Regionalgeschichte: All das sind typische Citizen-Science-Projekte. Tausende Laien sind daran beteiligt - abseits des klassischen Wissenschaftsbetriebs. Doch der könnte noch viel mehr von den Erkenntnissen der Laien profitieren, sagt Peter Finke.
"Mit Interesse fängt jede Wissenschaft an. Man muss motiviert sein, sich Wissen anzueignen."
Der Experte sieht keine Zusammenhänge
Im Gegensatz zur professionellen Wissenschaft besteht Citizen Science aus Wissensfelder nicht aus Einzeldisziplinen. Während der professionelle Wissenschaftler Experte in seiner Disziplin sein muss, geht es bei Citizen Science um die Stärken des Laien. Die liegen in Lebensumfeld des Laien. Es geht um Zusammenhänge und nicht um Einzeldisziplinen wie im klassischen Wissenschaftsbetrieb.
"Grundsolide aber langweilig"
Damit sind Citizen Scientist auch keine Konkurrenz für Profi-Wissenschaftler, sagt Peter Finke. Denn Laien befassen sich mit Themen, an denen professionelle Wissenschaftler gar kein Interesse haben.
Peter Finke möchte die professionelle Wissenschaft entzaubern. "Grundsolide aber langweilig und unkreativ sei ein Großteil der professionellen Wissenschaft", schreibt er in seinem Buch "Citizen Science - Das unterschätzte Wissen der Laien". Denn Wissenschaft findet keineswegs immer auf höchst kreativer Ebene statt. Darum müssten sich Citizen Scientist auch nicht verstecken.
"Überall dort, wo die professionelle Wissenschaft abstrakt und sehr teuer wird, können Citizen Scientist nichts bewirken."
Noch lange keine Wissensgesellschaft
Von einer umfassenden Wissensgesellschaft seien wir heute noch meilenweit entfernt. Die Idee der Erkenntnisgewinnung gilt noch lange nicht für jeden Bürger, sondern in erster Linie für professionelle Wissenschaftler.
Citizen Science - die Basis der Wissensgesellschaft
Genau diese Wissenschaft wird aber immer nur eine Sache für Wenige bleiben. Sie ist zu abstrakt, zu teuer und viel zu weit von der Lebenswirklichkeit der Masse entfernt. Darum fordert Peter Finke ein Umdenken in der Bildungspolitik. Denn Citizen Science könnte die Basis einer zukünftigen Wissensgesellschaft sein. Aber: "Bildung ist immer noch mit Barrieren versehen. Uns fällt nicht einmal auf, dass das Wissen der Laien überhaupt da ist."
"Wissen ist für alle Menschen wichtig, nicht nur für eine kleine Elite."
Die Erforschung der Prachtguramis
Peter Finke selbst ist Hobbyaquarianer und hat gemeinsam mit einem Architekten ein Buch über eine seltene Fischgruppe geschrieben - die Prachtguramis. Das sind kleine Fische aus Südostasien, die vom Aussterben bedroht sind. "Für mich war es wichtig, mich außerhalb meiner eigenen Forschung zu betätigen", erklärt er sein Anliegen. Und er rät anderen Wissenschaftlern dringend dazu, sich in die Gesellschaft zu begeben und einen Blick über die eigene Disziplin hinaus zu wagen.
Noch mehr Laienwissenschaft im Netz:
- Zooniverse - Rund 20 Citizen-Science-Projekten aus den Bereichen Raumfahrt, Biologie, Natur, Klima und Humanwissenschaft
- Whale.fm - hier erforschen Laien den Gesang der Wale
- Operation War Diary - Citizen-Science-Projekt zur britischen Armee im 1. Weltkrieg
- Bürger schaffen Wissen - deutsche Citizen Science Plattform
- Die Stunde der Gartenvögel - jedes Jahr ruft der Nabu zur Zählung der Gartenvögel auf