BeziehungenEine chronische Krankheit belastet auch den gesunden Partner
Ist eine Partnerin oder ein Partner chronisch krank, übernimmt der gesunde Part oft einen großen Teil der Care-Arbeit. Für Kim war das so belastend, dass es zur Trennung führte. Einfach da zu sein, ist essenziell, sagt eine Psychologische Psychotherapeutin.
Manchmal erkrankt ein Partner während einer Beziehung chronisch, manchmal besteht diese Diagnose bereits vorher. Auch Kim erfuhr schnell, dass seine Freundin Mina an Krampfanfällen leidet, als er sie vor über einem Jahr kennenlernte. Kurz darauf wurden die beiden ein Paar.
"Ich habe mich da sehr verantwortlich gefühlt durch die Narrative, die man so über Beziehungen eben aus der Gesellschaft auch in sich drin hat."
Nach und nach wird Alltägliches wie ein Spaziergang immer anstrengender für Mina. Und auch ihre Wohnung im dritten Stock wird immer schwerer nutzbar für sie. Im Alltag zeigt sich, dass Kim und Mina als Paar nicht mehr viel zusammen unternehmen können, wie zum Beispiel spontan irgendwohin zu fahren oder essen zu gehen.
"Ich hatte Gedanken, für die ich mich geschämt habe: dass ich das nicht kann, dass ich es nicht möchte. Und dass sich das irgendwie nicht mehr gut anfühlt."
Kim erzählt, dass sich deshalb auf Dauer Frust und Enttäuschung bei ihm eingestellt haben. Übergangsweise zieht seine Freundin in Kims Wohnung ein. Das macht Minas Alltag in mancher Hinsicht einfacher, stellt aber Kim vor einige Herausforderungen, weil er zu Hause Musik unterrichtet.
Wenn eigene Bedürfnisse und die des anderen clashen
Kim möchte Mina mit seinem Musikunterricht nicht stören, wenn sie sich ausruhen muss. Andererseits muss er unterrichten, um ein Einkommen zu haben.
Auf Dauer wird der Stress zu groß und Kim kommt an seine Grenzen. Das merkt er an seinen Gedanken, für die er sich zum Teil auch schämt. Weil er einerseits das Bedürfnis hat, sich abzugrenzen, andererseits aber auch den Wunsch hat, für seine Freundin da zu sein.
"Es ging auch darum, in mich reinzufühlen und auch dazu zu stehen, was ich will und wo meine Grenzen sind. Da habe ich dann im Endeffekt lernen müssen, dass man eigentlich gar nicht egoistisch genug sein kann."
Er spricht mit Freunden und Freundinnen darüber, die sich Sorgen um ihn machen. Und auch Gespräche in einer Therapie, die er macht, helfen ihm, für sich zu klären, wo seine Grenzen liegen. Auf Dauer läuft die Beziehung nicht gut. Nach einer offenen Aussprache trennen sich die beiden voneinander. Weil sie sich dennoch sehr verbunden fühlen, bleiben sie weiterhin befreundet.
"Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass ich da bin. Das hört sich vielleicht so einfach an: Aber Dinge mit aushalten, das ist ganz, ganz wichtig."
Oft vergesse die Gesellschaft, dass chronische Krankheiten auch jüngere Menschen treffen können, sagt Gundula Röhnsch. Sie forscht zu chronischen Krankheiten, zu ihrer Versorgung und zur Pflege an der FU Berlin. Besonders für Ärztinnen und Ärzte sei es eine Herausforderung, wahrnehmen zu können, dass auch bei jüngeren Menschen eine chronische Erkrankung vorliegen könne.
Für eine*n Partner*in sei es oft besonders schwer, damit umzugehen, weil er oder sie über einen kurzen Zeitraum mitansehen müsse, wie der oder die Liebste durch eine chronische Krankheit fortschreitend eingeschränkt werde. Wie gut man als Freund*in mit der Erkrankung zurechtkommt, hängt auch davon ab, wie sehr das eigene Umfeld dabei als Stütze dient, sagt Gundula Röhnsch.
Uns davon frei machen, eine Lösung finden zu wollen
Tanja Zimmermann ist psychologische Psychotherapeutin und Psych-Onkologin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie sagt, dass es besonders wichtig ist, an der Seite eines chronisch Erkrankten zu sein, indem wir als Partner Situationen mit tragen und mit aushalten.
"Wir wissen aus vielen Studien auch, dass Angehörige oft genauso psychisch belastet sind von einer Erkrankung wie die Erkrankten selber."
Oft gibt es bei chronischen Erkrankungen Belastungen und Herausforderungen, für die es keine Lösung gibt, sagt sie. Deswegen empfiehlt sie Angehörigen oder auch Partnern, Ungewissheiten zusammen durchzustehen und je nach Situation auch davon Abstand zu nehmen, immer weiter nach Lösungen suchen zu wollen.
Wenn eine Beziehung aufgrund einer chronischen Erkrankung zu symbiotisch werde, der gesunde Partner zu wenig auf sich selbst achte oder das Paar sich zusehends soziale isoliere, sei es manchmal die richtige Lösung einen Schlussstrich zu ziehen, sagt Tanja Zimmermann.