ChemsexLust und Rausch
Chemsex ist ein recht neues Phänomen. Es geht um Sex auf Drogen, insbesondere um Sexpartys, bei denen Speed, Kokain, GHB/GBL, Ketamin oder Chrystal Meth konsumiert werden. Angefangen hat es in Europa um das Jahr 2015 herum in der schwulen Szene Londons. Inzwischen gilt Berlin als Hotspot der Chemsex-Szene.
"Mit 30 habe ich mit Kiffen angefangen, dann Ecstasy, Speed und Koks genommen - irgendwann dann auch Chrystal Meth."
Norbert hat mit 30 Jahren mit Kiffen angefangen und dann immer härtere Drogen genommen. Er erzählt in Eine Stunde Liebe, warum er jahrelang Gast auf Chemsex-Partys war und wie und wo diese Sessions ablaufen. Heute ist er clean. Er war fünf Monate stationär in einer auf Chemsex-Patienten spezialisierten Suchtklinik.
Ehemals Chemsex-Süchtige gründen Selbsthilfegruppe
Im Interview erzählt Norbert, was er in der Therapie über sich und seine Sexualität gelernt hat. Mit anderen hat Norbert eine Selbsthilfe-Gruppe gegründet, in der sich ehemalige Chemsexer treffen.
"Da hier die Tabu-Themen Sexualität und illegale Drogen zusammenkommen, findet Chemsex weitgehend im Verborgenen statt."
Chemsex ist ein Problem, das in der Öffentlichkeit nicht so bekannt ist, weil es zwei Tabuthemen gleichzeitig betrifft: Sexualität und illegale Drogen. Allerdings kommt das Thema inzwischen mehr und mehr in den Fokus von Fachleuten.
In Köln zum Beispiel hat Anfang Mai die Fachtagung Lust + Rausch – Substanzkonsum und Sexualität stattgefunden. Dort haben sich Psychologen, Ärzte, Suchtberater und andere Experten über das Thema ausgetauscht und die Fragen von Eine-Stunde-Liebe-Moderator Till Opitz beantwortet.
"Oft geht es eigentlich um die Suche nach Nähe, Intimität, nach Geborgenheit."
Der Sexualpsychologe und -therapeut Hannes Ulrich von der Berliner Charité erklärt die tiefer liegende Gründe für den Wunsch nach Chemsex damit, dass es eigentlich um die Suche nach Intimität und Geborgenheit gehe. Aus seiner Sicht bedarf es dringender Aufklärung über diese Art der Sucht.
Den Konsumenten gehe es um ein Bedürfnis nach Nähe, sagt auch Henrike Dirks von der Universität Duisburg-Essen. Sie will mit Kollegen bald eine groß angelegte Onlinestudie starten, um mehr Daten zu diesem Thema zu gewinnen.
"Am Ende geht es darum, Sexualität wieder substanzungebunden zu erleben."
Anne Iking leitet an den Salus Kliniken in Hürth den Bereich Suchttherapie. Sie verrät, wie Therapien für Chemsex-Abhängige aussehen. Wichtig sei es dabei, dass es Süchtigen wieder gelingt, Sexualität losgelöst von Rauschmitteln zu erleben.
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