Umgang mit Catcalling"Warum habe ich mir das bieten lassen?"
Jede Frau kennt solche Situationen, in denen sie von Männern dumm angemacht oder bloßgestellt wird. Hinterher ärgern hilft aber nicht. Über mögliche Strategien bei sexueller Belästigung sprechen wir mit einer Sozialpädagogin.
"Wow, geiler Arsch!" "Na, Lust auf Sex?" - und es geht noch drastischer. Wenn Männer Frauen solche Sprüche stecken, kommt das selten gut an. Manche Frauen gehen einfach weiter, andere wehren sich - so wie die Französin Marie Laguerre. Als ein Mann auf offener Straße obszöne Geräusche in ihre Richtung machte, rief sie "halt's Maul!" Daraufhin schlug sie der Mann ins Gesicht. Wir haben darüber berichtet.
Der Fall löste eine große Debatte aus, und wir fragen uns: Wie verhalten wir uns als Frau eigentlich am besten, wenn wir in einer solchen Situation sind? Und zwar so, dass wir uns hinterher nicht schlecht fühlen. Denn eins ist klar: Nicht die Frau hat etwas falsch gemacht, wenn sie belästigt wird - die Verantwortung liegt beim Mann. Das sagt auch die Sozialpädagogin Kristina Gottlöber. Und sie sagt auch: Jede Frau muss für sich selbst herausfinden, wie sie mit sexueller Belästigung umgehen kann.
"Es gibt kein richtiges oder falsches Verhalten. Es ist so, dass jede Frau für sich spüren muss, was für sie okay ist."
Frauen können ganz unterschiedlich reagieren, sagt Kristina Gottlöber. Manche stecken das einfach weg und ignorieren den Vorfall. "Das tun sowohl Frauen, die sehr selbstbewusst sind, als auch Frauen, die generell eher schüchtern oder zurückhaltend sind und sich nicht in der Öffentlichkeit in den Mittelpunkt stellen wollen."
Ignorieren oder laut werden
Eine andere Möglichkeit ist es, laut zu werden und seiner Wut Luft zu machen. Das kann sehr befreiend sein - Kristina Gottlöber weiß das aus eigener Erfahrung. Denn auch ihr ist es einmal auf dem Nachhauseweg spät abends passiert, dass ein Typ sie äußerst plump angeredet hat. "Ich wollte dieses widerliche Gefühl nicht mit nach Hause nehmen", sagt sie. Also erklärte sie ihm sehr laut ihre Meinung. Für sie war das in diesem Moment befriedigend.
Der Situation entkommen
Doch die Situation hätte auch umschwenken und gefährlich werden können. Es kann daher auch klug sein, einfach weiter zu gehen - oder sich einer Personengruppe anzuschließen, sagt Kristina Gottlöber, damit man nicht mehr alleine ist. "Das schreckt viele Täter ab."
"Ganz häufig ist es so, dass Frauen ganz unzufrieden mit dem eigenen Verhalten sind und das Gefühl haben, sie hätten sich anders verhalten sollen."
Mit anderen sprechen
Frauen grämen sich oft, meint Kristina Gottlöber, und denken hinterher, sie hätten schlagfertiger sein sollen. "Warum habe ich mir das bieten lassen?", fragen sich viele. Eine Tipp der Sozialpädagogin ist es, im Nachhinein noch einmal mit einer vertrauten Person oder vielleicht auch mehreren Frauen darüber zu sprechen und zu überlegen: Was könnte ich beim nächsten Mal anders machen?
Denn in der Situation selbst sind Frauen oft überrumpelt. "Das sind Dinge, die kommen unerwartet, und man muss sich innerhalb von Sekunden entscheiden: Wie verhalte ich mich hier?", erklärt Kristina Gottlöber.
"In Situationen, die wirklich schon bedrohlich oder gefährlich sind, ist es gut, die Leute ganz konkret anzusprechen."
Wir alle sollten sensibel sein
Von allen, die es mitbekommen, wenn Frauen sexuell belästigt werden, erhofft sich die Sozialpädagogin Solidarität - und zwar auch von den Männern. "Denn wenn man da so ganz alleine steht, alle gucken einen an - da ist es unheimlich gut, wenn andere unterstützend da sind und sagen: 'Lassen Sie die Frau in Ruhe!'"
Ganz prinzipiell ginge es ja sowieso um Macht: Männer wollen ihre Macht der Frau gegenüber ausspielen, meint Kristina Gottlöber. Den Tätern mache es Spaß, Frauen zu verunsichern.
Im brenzligen Situationen Hilfe holen
Selbstverteidigungskurse könnten dabei helfen, das Selbstbewusstsein zu stärken. Doch wenn die Situation schon aufgeheizt oder gar gefährlich erscheint, sollten Frauen besser zurückhaltend reagieren, einfach um der eigenen Sicherheit Willen. Statt sich in Gefahr zu begeben, ist Hilfe holen angesagt.
"Hey, Sie dort drüben, mit dem roten Pullover, bitte helfen Sie mir!"
Dabei sei es wichtig, die Menschen ganz konkret anzusprechen und nicht einfach nur um Hilfe zu rufen, so Kristina Gottlöber. Weil das die Leute direkt ins Geschehen bringt.
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