Vorläufiges amtliches EndergebnisBundestagswahl: Was Gewinnerinnen und Verliererinnen sagen
Die SPD ist die stärkste Kraft in Deutschland, die Union fährt ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein und landet auf Platz 2. Wer tatsächlich ins Kanzleramt einzieht, ist allerdings noch unklar. Königsmacher werden höchstwahrscheinlich die drittplatzierten Grünen und die FDP. Wir haben mit jungen Politikerinnen der drei erstplatzierten Parteien gesprochen.
Die Union hat historische Verluste hinnehmen müssen und das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Trotzdem machen sich CDU und CSU Hoffnungen: Kanzlerkandidat Armin Laschet hat am Wahlabend betont, dass er Kanzler werden und die nächste Regierung anführen will. Ist das dreist, mutig oder berechtigt?
Wiebke Winter (CDU): "Ich bin Jamaika-Fan"
Bei der CDU hätten sich natürlich alle gewünscht, dass ihre Partei "ein paar mehr Prozentpunkte bekommt", sagt Wiebke Winter, Mitglied des Kompetenzteams von Armin Laschet und Direktkandidatin der CDU in Bremen. Ihr Direktmandat hat sie dort gegen den Kandidaten der SPD verloren.
Wiebke Winter, Jahrgang 1996, ist Fan der schwarz-grün-gelben Jamaika-Koalition, hat sie uns verraten. Das sei sie auch vor der Wahl schon gewesen. Die beste Regierung für Deutschland müsse von der Union angeführt werden, sagt sie.
"Ich glaube, dass die beste Regierung eine unionsgeführte Regierung ist."
Einen Rücktritt Armin Laschets wegen des historisch schlechten Ergebnisses der Union lehnt die CDU-Politikerin ab. Auch als zweitstärkste Kraft könne eine Partei den Regierungschef stellen, das hätten schon mehrere Beispiele gezeigt – etwa auch in Bremen, wo Andreas Bovenschulte seit August 2019 ein rot-grün-rotes Bündnis anführt, obwohl die Union mit ihrem Spitzenkandidaten Carsten Meyer-Heder stärkste Kraft geworden war.
Wenn Zweitplatzierte den Regierungschef stellen
Auch auf Bundesebene wurden schon Zweitplatzierte Kanzler: 1976 gewannen die Unionsparteien die Bundestagswahl – mit deutlichen sechs Prozent Vorsprung vor der SPD. Kanzler wurde aber Helmut Schmidt von der SPD, die sozialliberale Koalition aus SPD und FDP wurde fortgesetzt. Zur Information: 1976 waren mit Union, SPD und FDP nur drei Parteien im Deutschen Bundestag vertreten.
Armin Laschet hat am Wahlabend von einem nötigen "Neuanfang" gesprochen – unter seiner Führung. Dabei ist die Union seit 16 Jahren an der Regierung. Doch die Klimakrise verändere alles und auch als Gesellschaft würden wir uns weiterentwickeln. Von daher würde auch die Union von einem Neuanfang sprechen, erklärt Wiebke Winter.
Ricarda Lang (Grüne): "Das ist so ein bisschen ein trauriger Sieg"
Bei den Grünen ist die Stimmungslage etwa unklar: Auf der einen Seite freuen sie sich über das beste Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte – und können wohl mitentscheiden, wer ins Kanzleramt einzieht.
Auf der anderen Seite sei aber durchaus noch mehr drin gewesen, sagt Ricarda Lang, seit 2019 stellvertretende Bundesvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Grünen. Ricarda Lang, Jahrgang 1994, hat im Wahlkreis Schwäbisch-Gmünd kandidiert, das Direktmandat dort ging an die CDU-Kandidatin.
"Wir hatten etwas anderes vor. Gesellschaftlich wäre auch etwas anderes möglich gewesen. Klimaschutz ist keine Generationenfrage."
Der Erfolg der Grünen sei "so ein bisschen ein trauriger Sieg" sagt die Grünen-Politikerin. Ihre Partei habe etwas anderes vorgehabt – und das sei gesellschaftlich auch möglich gewesen. Das Thema Klimawandel sei groß wie nie. Die Grünen hätten es aber nicht geschafft, diese Realität noch deutlicher ins Wahlergebnis zu transportieren. Die Duell-Situation von Union und SPD hätte ihre Partei am Ende noch einmal deutlich absinken lassen, so die Grünen-Politikerin.
Ruf nach der "Klimaregierung"
Deutschland brauche dringend eine Klimaregierung, die zurück auf den Pfad des Pariser Klimaabkommens steuere. Außerdem müsse die soziale Ungleichheit im Land bekämpft werden. Das Wahlergebnis sei ein Mandat für eine soziale und ökologische Politik. Auf dieser Basis würden die Grünen auch in die Verhandlungen gehen.
Die meisten Stimmen haben die Grünen von den jungen Wählerinnen und Wählern bekommen. Bei den älteren Generationen gebe es noch Nachholbedarf, sagt Ricarda Lang. Denn Klimaschutz sei keine Generationenfrage Jung gegen Alt. Es gehe um alle.
Jessica Rosenthal (SPD): "Wir haben den Regierungsauftrag"
Die SPD ist die Gewinnerin der Bundestagswahl. Ihre Partei sei stärkste Kraft geworden, außerdem seien ganz viele Jusos in den Bundestag eingezogen – dementsprechend gut sei ihre Laune, sagt Juso-Chefin Jessica Rosenthal, Jahrgang 1992.
Die Wählerinnen und Wähler hätten ihren Willen sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, so die SPD-Politikerin: Die Union soll nicht mehr an der nächsten Regierung beteiligt sein. Sie habe massiv verloren, die SPD dagegen deutlich zugelegt. Der Regierungsauftrag sei an die SPD gegangen.
"Aus meiner Sicht haben wir den Regierungsauftrag bekommen. Etwas anderes würden die Wählerinnen und Wähler überhaupt nicht verstehen."
Bei ihren Gesprächen mit der grünen Jugend habe es sehr viele inhaltliche Übereinstimmungen gegeben. Diese finde sie auch im Wahlprogramm der Grünen, so Jessica Rosenthal. Die Richtung sei jetzt klar – nun wünsche sie sich von den Grünen ein deutliches Zeichen in Richtung SPD. Ansonsten würde sie nicht verstehen, wofür die Grünen Wahlkampf gemacht haben.
Ampel möglich, Gesprächsbedarf vorhanden
Grüne und SPD allein reichen aber nicht aus für eine Regierung. So wie es aussieht, bekommt auch die FDP eine entscheidende Rolle bei den möglichen Koalitionsgesprächen. Eine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP kann funktionieren, wie das Beispiel Rheinland-Pfalz mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer zeigt.
Gesprächsbedarf zwischen der SPD und der FDP sei aber definitiv da, sagt Jessica Rosenthal. Die oberen Prozente der Bevölkerung auf dem Rücken der mittleren und unteren Einkommen zu entlasten, wie das die FDP beabsichtige, lehne sie etwa ab. Sie sei gespannt, was bei den Gesprächen herauskommt, so die Juso-Chefin.
Unser Aufmacherbild zeigt von links nach rechts die Politikerinnen Jessica Rosenthal (SPD), Ricarda Lang (Grüne) und Wiebke Winter (CDU).