BundestagswahlWas für ein Kanzler wird Merz?
CDU und CSU haben die Wahl gewonnen – Friedrich Merz wird somit wohl der zehnte Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Doch was will er für ein Kanzler sein? Welche Themen ihm wichtig sind und woran er scheitern könnte.
28,52 Prozent der Stimmen hat die Union bei der Bundestagswahl geholt. Zweitstärkste Kraft ist die AFD mit fast 21 Prozent, gefolgt von der SPD mit knapp 16 Prozent. Ein historisch schlechtes Ergebnis für die Partei von Olaf Scholz. Die FDP und das BSW haben es nicht in den Bundestag geschafft. Das bedeutet, es gäbe eine Mehrheit für Schwarz-Rot.
Die CDU feiert einen Wahlsieg, gleichzeitig mischt sich auch Ernüchterung unter die Freude. Gerechnet hat die Union mit einem Wahlergebnis von über 30 Prozent, so Katharina Hamberger, Korrespondentin in unserem Hauptstadtstudio. Vermutet werden kann, dass die Abstimmung im Bundestag zur verschärften Migrationspolitik mit Inkaufnahme von AfD-Stimmen so manche*n Wählende*n in der Mitte verschreckt hat. Dennoch: Die Union wird mit ziemlicher Sicherheit den nächsten Kanzler und die nächste Regierung stellen.
Friedrich Merz: Ehrgeiz und Selbstbewusstsein
Fabian Reinbold ist Journalist und arbeitet als politischer Korrespondent bei Zeit online. Er ist auch im Team des Podcasts Friedrich Merz: sein langer Weg zur Macht und hat ihn auch im Wahlkampf begleitet. Was den CDU-Politiker antreibt? Merz würde sagen, er möchte seinen Kindern und Enkelkindern ein Land hinterlassen, das besser dasteht als jetzt, meint Fabian. Daneben habe Merz einen sehr großen Ehrgeiz, ein starkes Selbstbewusstsein und die Überzeugung, es besser zu können als die letzte Regierung.
"Merz hat einen sehr großen Ehrgeiz, ein sehr großes Selbstbewusstsein und das Bewusstsein, es besser zu können als die letzte Regierung."
Ein für Merz sehr wichtiges Thema, das nicht so im Zentrum des Wahlkampfs stand, sei Deutschlands Rolle in Europa, so Fabian. Hier werde Merz emotional. Er fordere dringend mehr Führung und Engagement Deutschlands und kritisiert Olaf Scholz dafür, diese Rolle vernachlässigt zu haben. "Das nimmt er ihm wirklich übel", glaubt Fabian Reinbold.
Merz hatte der Politik den Rücken gekehrt
Unter Angela Merkel verließ Friedrich Merz vor über 20 Jahren die Unionsführung. Er zog sich aus der Politik zurück, wechselte in die Wirtschaft und verdiente viel Geld, wie er selbst sagt. Merz kehrte zurück, als Merkel 2018 den CDU-Vorsitz aufgab, und versuchte erstmals, Parteichef zu werden. "Und wenn du CDU-Parteichef bist, dann willst du auch Kanzler werden", so Fabian.
"Merz hat einen langen Atem, Entschlossenheit und auch eine Klarheit in gewissen Positionen. In der Außenpolitik zum Beispiel, wenn es darum geht, wie man mit der Bedrohung durch Russland umgeht."
Merz bringe Ausdauer, Entschlossenheit und klare Positionen mit – besonders in der Außenpolitik. Er vertritt eine deutliche Haltung gegenüber Russland und den USA und verkörpert das transatlantische Bündnis. Wie er sich unter der neuen Ausrichtung der US-Regierung behauptet, bleibe abzuwarten.
Achillesverse: Merz und seine Impulsivität
Friedrich Merz ist ein impulsiver Politiker, was ihm Probleme machen könnte, sagt Fabian. Im Wahlkampf habe sich das etwa beim Manöver zur Migrationspolitik und dem Bundestagsvotum mit der AfD gezeigt – ein Fehler, der ihm keine Stimmen brachte. Solche Aktionen dürfe er sich in den Koalitionsverhandlungen und als Kanzler nicht mehr leisten.
Friedrich Merz will als Kanzler drei zentrale Ziele durchsetzen: die Wirtschaft ankurbeln, eine striktere Migrationspolitik etablieren – ein für ihn kaum verhandelbares Thema, um die AfD einzudämmen – und Deutschlands Führungsrolle in Europa stärken. Angesichts globaler Krisen, insbesondere des Kriegs in der Ukraine und geopolitischer Spannungen mit den USA und Russland, hält er dies für entscheidend, sagt Fabian.
Koalitionsgespräche - Einigung bis Ostern?
Die Union wird nicht alleine regieren können und Kompromisse machen müssen – aller Wahrscheinlichkeit nach mit der SPD als Koalitionspartner, wenn es um eine stabile Regierung geht. Klar zu sein scheint, dass in kleinen Koalitionsteams verhandelt werden soll und eine schnelle Einigung angestrebt wird. Die Union plant, die Koalitionsverhandlungen bis Ostern abzuschließen.
Um schnelle Fortschritte zu erzielen, will die Union keinen detaillierten Koalitionsvertrag wie in der Vergangenheit, sondern einen Vertrag mit großen Linien. Bei schwierigen Themen wie der Asyl- und Migrationspolitik, insbesondere der geplanten Zurückweisung von Asylbewerbern an den Grenzen, müssen klare Einigungen in den Verhandlungen mit der SPD erzielt werden, um künftige Streitigkeiten zu vermeiden.
Weitere zentrale Themen in den Koalitionsverhandlungen sind beispielsweise die Schuldenbremse, außenpolitische Fragen, etwa die Ukraine-Hilfen und steuerpolitische Vorhaben. "Das muss im Koalitionsvertrag einigermaßen wasserdicht geregelt werden, damit man nicht direkt in den ersten Streit hineinrutscht", meint unsere Hauptstadtkorrespondentin.
"Friedrich Merz würde am allerliebsten als der Kanzler in die Geschichte eingehen, der auch die AfD kleinkriegt."
Katharina Hamberger glaubt, dass es in Teilen eben eine konservativere Politik geben wird und gesellschaftspolitische Themen nicht mehr so die Rolle spielen werden wie noch in der Ampelregierung. Fabian Reinhold fügt hinzu, dass Friedrich Merz ein Kanzler sein will, der Deutschland und Europa in einer Zeit geopolitischer Verwerfungen Stabilität verleiht. "Und am allerliebsten würde er als der Kanzler in die Geschichte eingehen, der auch die AfD kleinkriegt", sagt er.