BriefwahlBundestagswahl: Tausende verlorene Stimmen aus dem Ausland?

Der Zeitplan für die vorgezogene Neuwahl zum Bundestag ist extrem eng. Für viele der über drei Millionen wahlberechtigten Deutschen im Ausland ist die Zeit zu knapp, die Frist für die Briefwahl einzuhalten. Zehntausende Stimmen könnten verloren gehen.

Zwischen drei und vier Millionen Deutsche leben im Ausland und sind wahlberechtigt. Bei der letzten Bundestagswahl haben sich davon aber nur etwa 130.000 für die Wahl registrieren lassen. Bei den kommenden Neuwahlen könnten sogar noch weniger Deutsche wählen, die im Ausland leben. Grund: Die Zeit, bis der Brief für die Briefwahl ankommt und dann auch wieder zurück in Deutschland sein muss, ist zu knapp.

Postsysteme können Briefwahl nicht rechtzeitig umsetzen

So ist es auch bei Thomas Villa de Rode. Er lebt seit drei Jahren auf einer Pekannussfarm in Argentinien. Die Briefwahlunterlagen hat er sich extra zu seiner Schwester in die Hauptstadt nach Buenos Aires schicken lassen. Das ist von seinem Haus einen Tagesritt entfernt. Thomas glaubt allerdings nicht, dass die Unterlagen dort auch rechtzeitig ankommen.

Ähnlich geht es der Biologin Christine Wegener in Costa Rica. Sie sagt, Schuld daran habe das schlechte Postsystem bei ihr vor Ort:

"Es kommt vor allem oft vor, dass die Post gar nicht ankommt. Und natürlich: Wenn die Post unterwegs ist, dann dauert das auch wirklich Ewigkeiten, bis sie irgendwo ankommt."
Christine Wegener über die Problematik, in Costa Rica zu wählen

Eine andere Möglichkeit wäre, zum Wählen nach Deutschland zu reisen. Bei Thomas Villa de Rode würde das bedeuten, 1.000 Kilometer zum Flughafen zurückzulegen, dann mit dem Flugzeug 13 Stunden nach Frankfurt weiter und dann noch einmal zwei Stunden Autofahrt in den Ort, aus dem Thomas kommt. Neben der langen Reise wären damit Kosten von mehreren tausend Euro verbunden. Für Thomas ist das unverhältnismäßig, obwohl es ihm selbst eigentlich superwichtig ist zu wählen.

"Alles, was ich heute bin, Schulbildung, Erfahrungen im Leben, habe ich meinem Heimatort zu verdanken. Und deswegen fühle ich mich dazu verpflichtet, mich mit meinem Wahlrecht weiter an der Gegenwart und Zukunft meiner Kommune und meines Heimatlandes zu beteiligen."
Thomas Villa de Rode über seine Motivation, den Bundestag zu wählen

Thomas informiert sich in Argentinien über das Internet zur deutschen Politik. Falls der Wahlschein bis zu zehn Tage vor der Bundestagswahl doch unerwartet in Argentinien ankommen sollte, wird Thomas zu seiner Schwester reiten und per Briefwahl mitwählen.

Das Wahlsystem für Deutsche im Ausland

Aber wie funktioniert es überhaupt für Deutsche, im Ausland zu wählen? Alle Menschen, die in Deutschland abgemeldet sind und weniger als 25 Jahre im Ausland leben, können sich in der Gemeinde, in der sie zuletzt gewohnt haben, ins Wahlregister eintragen lassen. Sie bekommen also nicht automatisch eine Wahlberechtigung, so wie Deutsche, die hier leben.

Normalerweise werden sechs Wochen vor der Bundestagswahl dann die Briefwahlunterlagen verschickt. Bei dieser Wahl ist das Zeitfenster aber bekanntermaßen knapper: nur zwei Wochen vorher.

"Wenn ich vielleicht in Italien lebe, dann könnte das passen. Wenn ich aber in China, Brasilien, im Senegal oder sonstwo lebe, dann kann es sein, dass mein Brief leider zu spät ankommt und meine Stimme verfällt."
Jana Niehof, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Für Deutsche in vielen Ländern könnte dieser Zeitraum einfach zu kurz sein, um die Unterlagen zu erhalten und auch zurückzuschicken. Aber warum gibt es keine anderen Möglichkeiten zu wählen?

Denkbar wäre etwa, in deutschen Botschaften im Ausland zu wählen. Es gibt Staaten, die so etwas anbieten, in Deutschland ist das aber gesetzlich nicht vorgesehen, sagt die Bundeswahlleiterin. Denn es gibt 299 unterschiedliche Wahlunterlagen und das wäre ein unverhältnismäßig hoher Aufwand für die Wahl.

Digital sind Wahlen noch nicht sicher möglich und werden daher auch nicht angeboten. Wenigstens können sich Deutsche im Ausland aber inzwischen per Mail für die Wahl registrieren.

Hörtipp: Hier geht's zum News-Podcast 0630.