BrexitDemokratie braucht Wahlpflicht
Seltsam diese Briten: Erst stimmen sie mehrheitlich für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Dann beschweren sie sich und stellen fest: Die Wahlbeteiligung der Generation U-30 war viel, viel geringer als die der älteren. Mit Wahlpflicht hätten sich die Briten womöglich für die EU entschieden.
Damit sind die Briten nicht ganz alleine: Auch bei den Europawahlen gehen nur wenige junge Wähler zur Abstimmung:
- 2014 gingen 35,3 Prozent der jungen Europäer zwischen 21 und 24 zur Wahl
- bei den 25 bis 29-Jährigen lag die Wahlbeteiligung bei 36 Prozent
Eine Lösung wäre die Einführung der Wahlpflicht. Wer nicht wählt, muss eine Strafe bezahlen. DRadio-Wissen-Reporter Martin Krinner hat mit dieser Idee die Leute auf der Straße konfrontiert - und festgestellt: So richtig geil finden sie das nicht. Auch weil sie Angst haben, dass dann noch mehr Leute aus Protest rechte Parteien wählen.
"Wenn aber Wahlen anstehen, gerade Europawahlen, dann ist die konkrete Teilnahme bei den jüngeren Leuten ziemlich verhalten - und das durchgehend seit 1979."
Nach dem Brexit wundern sich viele junge Briten unter 30: Je älter die Wähler, umso häufiger haben sie pro Brexit gestimmt. Und dann war die noch die Sache mit der Wahlbeteiligung: Während bei den unter 25- bis 34-Jährigen 58 Prozent der Wahlberechtigten zur Abstimmung gegangen sind, waren es bei den über 55-Jährigen über 80 Prozent.
Bei Twitter trendet seitdem der Hashtag #notinmyname. Junge Briten wollen den Brexit nicht einfach so hinnehmen, fühlen sie bevormundet von einer Generation, die älter ist als sie und im Vergleich zu ihnen nur viel kürzer mit den Folgen des Brexit leben muss. Bleibt die Frage: Warum gehen die Jungen nicht einfach zur Wahl? Martin Speer von Zeit Online hat dazu eine ganz klare Haltung: Die Einführung der Wahlpflicht. "Es gibt viele Pflichten, die wir akzeptieren, das ist bei der Wahlpflicht nicht so", sagt Martin Speer. Er wünscht sich, mehr Verantwortungsgefühl für die Demokratie - dazu gehöre auch, wählen zu gehen.
Ein Enthaltungsfeld auf dem Wahlzettel
Wer gar nicht für eine der Parteien stimmen kann, die zur Wahl stehen, kann einfach eine eigene Partei gründen. Eine Alternative sei ein Enthaltungsfeld auf Wahlzetteln. "Wenn mir das alles nicht gefällt, kann ich Enthaltung ankreuzen. Dann wird auch wirklich sichtbar, wenn Leute mit dem Status Quo nicht zufrieden sind."
"Wenn viele Leute das Enthaltungsfeld ankreuzen, wird der Wahlzettel wirklich zum Denkzettel."
In Ländern wie Australien, Belgien und Argentinien gibt es die Wahlpflicht. Wer nicht zur Wahl geht, muss eine Strafe bezahlen. Martin Speer ist überzeugt: Gäbe es in Großbritannien die Wahlpflicht, wären nicht nur knapp 40 Prozent der jungen Leute wählen gegangen. "Dann sehe das Ergebnis nachweisbar anders aus und die Briten wären womöglich noch in der EU."
"Die Wahlpflicht hätte einen nachweisbaren Effekt gehabt."