BrexitBrüssel nach dem Schock
Annette Riedel ist seit 2012 Korrespondentin in Brüssel. Obwohl sie das Gefühl hatte, die Entscheidung könnte knapp ausgehen, war sie letztlich über den Brexit geschockt.
Als Korrespondentin ist Annette Riedel nah an den EU-Politikern in Brüssel und Straßburg dran. Vor dem Brexit, sagt sie, war es ein Tabu darüber zu sprechen, dass es wirklich passieren könnte. Zwar hat sich eine Task-Force der EU-Kommission mit dem britischen Referendum oder "der britischen Frage" - wie der Brexit in Brüssel umschrieben wird - beschäftigt, aber über die Austrittsszenarien wurde nicht geredet.
"Die offizielle Botschaft aller hier in Brüssel ist: Wir nehmen das Votum der Briten an und arbeiten jetzt damit."
Nach der Entscheidung der Briten, die EU zu verlassen, versuchen die EU-Politiker nun so schnell wie möglich, die Phase der Unsicherheit zu beenden, erklärt Annette das Drängen seitens der EU-Kommission auf zügige Austrittsverhandlungen. Schleppende Verhandlungen wollen die Politiker vermeiden, damit auf keinen Fall der Eindruck entstehe, dass es einen "Exit" aus dem Brexit geben könne.
Noch verbleiben die 73 britischen EU-Abgeordneten im Parlament, bis der Austritt vollzogen ist. Mit ihnen gehen die rund 2000 Mitarbeiter. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat den rund 1000 britischen Kommissionsmitarbeitern signalisiert, dass er sich trotz Brexit um eine Weiterbeschäftigung bemühe.
"Der Ball, das ist die klare Botschaft der 27 EU-Mitgliedsstaaten, liegt im Feld der Briten."
Beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs gab es eine Gipfelrunde ohne den britischen Premier David Cameron. Die Runde der verbleibenden 27 Staaten will zunächst den offiziellen Austritt Großbritanniens nach Artikel 50 des EU-Vertrags abwarten, bevor weitere Schritte unternommen werden.
EU muss sich neu definieren
Die 27 Staats- und Regierungschefs haben deutlich gemacht, berichtet Annette, dass sie die britische Entscheidung bedauern, aber nach dem Austritt auch Angebote seitens Großbritanniens erwarten, wie die EU weiter mit dem Abtrünnigen in guten Beziehungen stehen kann. Für sich selbst wollen die Staats- und Regierungschefs Leitlinien formulieren, mit denen sie in den kommenden Wochen in die Verhandlungen mit Großbritannien gehen werden.
Schottische Ambitionen
Dagegen hat die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon beim Besuch in Brüssel deutlich gemacht, in der EU bleiben zu wollen. In der EU können aber nur souveräne, unabhängige Staaten sein, erklärt Annette, was auf Schottland nicht zutrifft. Insofern bleibt es bei Sympathiebekundungen und dem Wunsch, im Gespräch zu bleiben.
"Das ist einer der Punkte, den man den Brexit-Befürwortern vorwirft, dass sie gar nicht gesagt haben, wie sie sich die weitere Zusammenarbeit mit der EU vorstellen."
Die Forderungen und Ideen, die jetzt im Raum sind, sagt Annette, lassen sich in drei Gruppen einsortieren: Eine Gruppe will mehr EU wagen, eine andere will den Einzelstaaten wieder mehr Kompetenzen geben, und die letzte Gruppe der EU-Politiker möchte nur bei bestimmten Themen enger zusammenarbeiten.