LandtagswahlBrandenburg: Was anfangen mit dem Wahlergebnis?

Die Wahl in Brandenburg krempelt den Landtag um. Die SPD hat fast 31 Prozent geholt, die AfD etwas mehr als 29 Prozent. Grüne, Linke, BVB/Freie Wähler und FDP sind nicht im Parlament. Wie gehen die Menschen jetzt mit der einschneidenden Wahl um, bei der gerade Jüngere rechts gewählt haben?

Es war das große Ziel der SPD, stärkste Kraft bei der Landtagswahl in Brandenburg zu werden und damit vor der AfD zu landen. Dieses Ziel hat die SPD um den bisherigen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke erreicht. Dennoch nun steht die nächste Herausforderung an: Koalitionspartner finden.

Nach der Wahl ist vor der Koalitionsfindung

Herausfordernd dürfte das werden, weil der Landtag nach der Wahl in puncto Zusammensetzung der Parteien völlig anders aussieht als bisher. Lediglich vier Parteien wurden reingewählt: Die SPD, die CDU, das BSB und eben die AfD.

Die Grünen, die Linke und die Freien Wähler sind raus. Das wird nicht nur die Themenvielfalt auf landespolitischer Ebene einschränken, sondern es schränkt auch die Auswahl an möglichen Koalitionspartnern ein, erklärt Amelie Ernst. Sie ist als Reporterin beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) hauptsächlich für Landespolitik zuständig.

Die CDU will jedoch keine Gespräche mit der SPD. Sie hätten ohnehin nur eine Minderheitsregierung bilden können, erklärt Journalistin Amelie Ernst. In Zusammenarbeit mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht hingegen hätten sie eine komfortable Mehrheit.

Allerdings dürften politische Kompromisse oder sogar Einigungen bei dieser Konstellation schwierig werden, erklärt die Reporterin und nennt als Beispiele die Haltung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine oder die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Brandenburg, gegen die sich das BSW vehement ausspricht.

"Wenn drei verschiedene Parteien am Tisch sitzen und sich einigen müssen, ist das oft schwieriger, als wenn es nur zwei sind."
Amelie Ernst, rbb-Reporterin für Landespolitik in Brandenburg

AfD feiert sich als "Partei der Zukunft"

Und dann ist da natürlich noch die AfD, die 29 Prozent geholt hat. Als Koalitionspartnerin wird sie von den anderen Parteien ausgeschlossen, doch das schmälert ihren Erfolg bei der Wahl nicht.

Besonders gut kommt die AfD in Brandenburg bei jungen Wähler*innen an. Laut Infratest dimap erzielte sie bei den 16- bis 24-Jährigen 32 Prozent und bei den 25- bis 34-Jährigen sogar 34 Prozent. Die Zustimmung bei diesen Zielgruppen liegt also über dem Gesamtergebnis der AfD. Diesen Zuspruch sieht die AfD als Beweis dafür, dass sie "die Partei der Zukunft" sei, wie Hans-Christoph Berndt, Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg, sagt. Und er fügt hinzu: "Die SPD und CDU sind die Parteien der Vergangenheit."

"Die anderen Parteien haben kaum oder zu wenige Ideen, wie sie junge Wähler zurückgewinnen können."
Amelie Ernst, rbb-Reporterin für Landespolitik in Brandenburg

Als Hauptgrund für den Wahlerfolg der AfD wird immer wieder ihre Präsenz auf Social Media genannt, sei es das erfolgreiche Bespielen eigener Kanäle oder die Unterstützung durch Influencer*innen. Dem stimmt Amelie Ernst zu. Sie nennt aber auch weitere Gründe, die den Erfolg der AfD erklären, wie das Fehlen politischer Bildung im Land.

Die Journalistin bezweifelt, dass den Wähler*innen umfassend bewusst ist, was es bedeutet, dass die AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt wird. Ein anderer Grund ist laut Amelie Ernst, dass grundlegendes Geschichtswissen nicht mehr vorhanden ist. All das führe dazu, dass das Extreme in manchen Aussagen und Forderungen der AfD schlicht nicht erkannt oder bagatellisiert werden.

Zwischen politischer Debatte und Beleidigungen

Einer, der versucht genau dagegen zu steuern, ist Stefan Tarnow. Er ist 18, auf kommunaler Ebene bei der Partei "Pro Lübben" aktiv sowie Sprecher des Landesschülerrats von Brandenburg. Vor allem mit dem Landesschülerrat setzt er sich für das Beibehalten einer Erinnerungskultur ein, außerdem engagiert sich der Schülerrat für die Vielfalt sowie die Rechte von Homosexuellen in Brandenburg.

Stefan Tarnow engagiert sich als Sprecher des Landesschülerrats von Brandenburg

Für seine Arbeit und seine Haltung bekommt Stefan Tarnow nicht nur Gegenwind, er wird regelmäßig beleidigt und angefeindet. Daran hat er sich so sehr gewöhnt, dass er Kommentare oder Aussagen wie "Geh in den Westen" oder "Scheiß Zecke" als "Bagatelle" bezeichnet. Als "Zecke" sollen Menschen mit eher linken Positionen abgewertet werden.

Auch, dass Menschen, die Stefan Tarnow seine Freunde nennt, ihn als "Zecke" bezeichnen, scheint ihn nicht sonderlich zu berühren oder zu verwundern. "Die kommen meistens aus der rechten Szene. Mit ihnen sollte man nicht über Politik reden", sagt er pragmatisch. Und gleichzeitig ist es genau das, was er sich wünscht: Dass die Menschen in Brandenburg wieder mehr miteinander reden, auch wenn es herausfordernd ist. Und das ist so wohl so auch auf die Landespolitik übertragbar.