BosnienEU-Außengrenze: Im Flüchtlingslager Lipa entsteht ein Internierungstrakt
Unweit der Grenze zum EU-Staat Kroatien liegt das Flüchtlingscamp Lipa. In einem besonders gesicherten und eingezäunten Bereich wurde jetzt ein neuer Internierungstrakt eingerichtet. NGOs, die sich für Geflüchtete einsetzen, fürchten, dass der neue Trakt als Abschiebegefängnis dienen soll.
Das Flüchtlingslager Lipa liegt im Nordwesten von Bosnien. Die nächstgelegene Stadt ist Bihać und etwa 25 Kilometer entfernt. "Total abgeschieden, fünf Stunden Fußmarsch bis zur nächsten Stadt, umgeben von verminten Waldstücken aus dem Bosnienkrieg. Also ich sage mal, die Umgebung ist eher feindselig", berichtet Silke Hahne, Korrespondentin für Südosteuropa. Das Lager liegt auf einer Hochebene in den bosnischen Bergen. Ein kühler Wind weht zwischen den Zelten und Containern.
"Das kann man leider gerade nur von außen beschreiben. Ins Camp sind wir nämlich nicht reingekommen, anders als noch im Januar. Da war ich das letzte Mal in Lipa."
In einer Ecke des Lagers gibt es seit kurzem einen abgetrennten Bereich, der durch hohen Zaun abgegrenzt ist. "Ich würde schätzen vier, fünf Meter hoch, der hat dann unten noch einmal so ein Sichtschutz-Netz, dass man auch bloß nicht zu viel sieht", sagt unsere Korrespondentin. Der Zaun ist gesichert mit Kletterschutz, Lichtstrahlern und Kameras.
Hinter dem Zaun stehen zwei Reihen mit Containern. Die vordere Reihe sieht aus wie normale Wohncontainer mit Fenstern. Dahinter liegt eine zweite Reihe Container mit kleinen vergitterten Fenstern. Im Moment sei der abgetrennte Bereich mit den Containern allerdings noch nicht in Betrieb.
Viele offene Fragen zum Internierungstrakt in Lipa
Silke Hahne geht davon aus, dass hier ein "Internierungstrakt" entstehen soll. Sie wählt diesen Begriff für den abgetrennten Bereich, denn ihrer Meinung nach ist ein Gefängnis oder eine Haftanstalt nicht zutreffend: "Weil ein Gefängnis oder eine Haftanstalt ist, meiner Ansicht nach, etwas, wo Leute mit Urteil eingesperrt werden. Und dort passiert es ja ohne Urteil. Deswegen habe ich diese Formulierung gewählt."
Es gibt unterschiedliche Angaben dazu, für wen dieser neue Trakt im Flüchtlingscamp bestimmt ist. "Zum Teil widersprechen sich sogar ein- und dieselben Ansprechpartner", sagt Silke Hahne. Der EU-Kommissar für die Erweiterung der EU, Olivér Várhelyi, war vor kurzem in Bosnien zu Besuch und hat ein Pilotprojekt der EU in Lipa angekündigt. "Bei diesem Besuch wurde relativ schnell klar, es geht um Menschen, die abgeschoben werden sollen", sagt unsere Korrespondentin.
Es folgte große Aufregung. Der EU-Botschafter in Bosnien ist daraufhin nach Bihać gefahren und hat dort verkündet, es gehe es um Unruhestifter. Leute, die andere gefährden. "Uns hat aber die Campleitung gesagt, dass das so gut wie nie vorkommt, dass die Flüchtlinge untereinander Gewalt verüben", berichtet die Südosteuropa-Korrespondentin.
Eine erneute Anfrage bei der EU ergab dann, dass es hier um Entscheidungen über Asyl oder Rückkehr gehe. "Das wirft natürlich Fragen auf. Es heißt nämlich auch: Menschen sollen höchstens 72 Stunden in dem Trakt interniert werden. Ein Asylverfahren in Bosnien dauert aber durchschnittlich nicht drei, sondern 400 Tage", sagt Silke Hahne.
Einer der Gründe, warum der Internierungstrakt bisher noch nicht in Betrieb ist, sei demnach, dass die bosnischen Behörden aktuell keine Rechtsgrundlage dafür sehen.
"Wo kein Kläger, da natürlich kein Richter."
Menschen, die sich um Asyl beworben haben, dürfen nicht ohne Weiteres weggesperrt werden. Deswegen ist Lipa eigentlich für die Bewohnenden frei zugänglich, solange ihr Asylverfahren läuft. "Ich habe da viele Fragezeichen", sagt unsere Korrespondentin. Fragwürdig sei es auch, dass der neue Trakt mit EU-Beitrittshilfen finanziert worden sei. Geld, mit dem Bosnien eigentlich Reformen im Land durchführen soll, um seine EU-Mitgliedschaft voranzubringen.
Die Stadt Bihać behauptet zudem, das in der Genehmigung der Stadt für das Camp Lipa auch nie vorgesehen war, dass dort in irgendeiner Form eine Haftanstalt oder etwas ähnliches entsteht. "Rechtlich ein sehr wackeliges Konstrukt", findet die Korrespondentin.