Modephänomen Blouson-JackenBomberjacke: Komm in meine Ärmel
Alle können sich auf die Bomberjacke einigen: Skinheads, Neonazis, Galeristinnen, SM- und Fetisch-Freunde, Partypeople, Modemacher und neuerdings auch Normalos. Wieso funktioniert dieses Kleidungsstück aus Nylon für so unterschiedliche Gruppen? Antworten von einem Mann, der sie ebenfalls trägt, von dem Autor Hans-Christian Dany.
Hans-Christian Danys These: Die klassische Bomberjacke, die MA-1, ist ein Readymade. Sie fügt sich ein und lässt sich umcodieren. Entwickelt wurde die MA-1 Ende der 50er Jahre für die amerikanische Luftwaffe. Vor allem im Vietnamkrieg kam sie tausendfach zum Einsatz. Laut Wikipedia wurden seit 1958 mehr als eine Million Bomberjacken an das US-Verteidigungsministerium geliefert.
"Die Bomberjacke ist eine asymmetrische Uniformjacke. Das ist ein radikaler Bruch in der Uniformgeschichte."
In den 60er Jahren fangen Zivilisten an, Bomberjacken zu tragen. Einerseits lösen sie die Jacke damit aus dem militärischen Kontext, andererseits kommt der militärische Appeal Gruppen wie beispielsweise der Black Panther Party for Self-Defense entgegen.
"Die Skinhead-Bewegung entzieht sich all dieser Angebote von Konsumglück."
Auch andere codieren den salbeigrünen Blouson für ihre Interessen, ihr Selbstverständnis um. Londoner Skinheads, Neonazis, Schwule lassen sich von der Jacke warmhalten und verkörpern in ihr das jeweils gesellschaftliche Andere. Modemacher, Künstlerinnen, die Rave-Szene tragen ihre runden Formen. Der Autor William Gibson setzt der MA-1 2003 in seinem Roman "Pattern Recognition" ein literarisches Denkmal.
"Es gibt in den 90er Jahren ein weiteres Comeback im Techno. Die Bomberjacke passt sich sehr gut an unterschiedliche Temperaturen an und das passte einfach sehr gut zum Raven."
Die Zeit der Bomberflugzeuge ist vorbei. Heute wird zwar immer noch per Luftschlag getötet, allerdings ist der Pilot dabei oft weit weg vom Geschehen. Aus Büros heraus, vom Schreibtisch aus werden Drohnen gelenkt und auch gegen Zivilisten eingesetzt. Krieg wird aus der Ferne geführt. Risikoauslagerung nennen das Militärs. Hans-Christian Dany sagt, dass sich in der Beliebtheit der Bomberjacke in unserem Jahrzehnt ein öffentliches Bewusstsein für diese Risikoauslagerung zeige.
Hans-Christian Dany liebt das Spiel mit Abweichungen und Neucodierungen in der Mode, beobachtet und interpretiert sie. Er trägt eine Bomberjacke von Lonsdale. Nach Büchern über Kybernetik und Drogen hat er nun eins über die MA-1 geschrieben. Seinen Vortrag über "MA-1. Mode und Uniform" hat er am 5. Dezember 2018 auf Einladung der Fachgruppen Kommunikationsdesign und Kunstwissenschaft der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe gehalten. Wie viele MA-1-TrägerInnen dabei im Publikum saßen, ist nicht überliefert.
Unsere Bildcollage zeigt die Bloggerin Charlotte Groeneveld im Februar 2017 in New York und den Designer Claude Montana in den 80er Jahren.
- Die Blicke der Anderen: Von coolen Lederjacken und sexy Ablenkung | Kühl, ein schützender Panzer, eine zweite Haut - die schwarze Lederjacke ist Coolness zum Tragen. Wer ausdrücken möchte, wie verdammt autonom er oder sie ist, braucht so eine schwarz gefärbte Tierhaut in Jackenform. Und zwar seit ungefähr hundert Jahren.
- Interview mit Hans-Christian Dany im Deutschlandfunk | Von Bomberjacken und anderen modischen Widersprüchen
- Modedesign: Die Kultur-Näherin | Neslihan Kapucu hat mit ihren 26 Jahren bereits eine erstaunliche Karriere hingelegt. Sie ist nicht nur diplomierte Designerin für internationale Mode, sondern ist auch Dozentin am Düsseldorfer Fashion Design Institut.
- Mode: Die 90er haben angerufen ... | ... und hatten scheinbar Rihanna an der Strippe. Das Gespräch war wohl ziemlich fruchtbar, denn auf der New York Fashion Week präsentierte die Sängerin ihre erste eigene Modekollektion. Entworfen hat sie die für Puma: Ein bisschen Grunge, ein bisschen bauchfrei - fertig ist das 90s-Revival.